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So, der Artikel ist jetzt doch um einiges umfangreicher geworden als ich geplant habe, deshalb hat er meiner Meinung nach auch einen ausführlichen Abschluss verdient und kein kurzes Endfazit, so wie es eigentlich angedacht war. In der Einleitung habe ich den Grund für die ganze Übung hier erläutert, nämlich den für mich spürbaren Nachlass der allgemeinen Spielequalität im Konsolen RPG-Sektor heutzutage. Der Blick durch mein Archiv scheint mich zu bestätigen: Meine bevorzugten Spiele massieren sich hauptsächlich in den späten 90'ern, mit Tendenz zur Vergangenheit hin als denn in Richtung Zukunft. Um einen besseren Bezugspunkt zu finden, lasse ich jetzt mal die wichtigsten Generationen des Genres kurz Revue passieren und erläutere jeweils, was sie für diesen kleinen Rollenspieler aus dem hohen Norden Deutschlands denn bedeutet haben ...
Die 8-Bit Anfänge (Mitte der 80'er bis frühe 90'er)
Der Startpunkt der Konsolen-RPGs ist ja allgemein bekannt, Enix legte 1986 mit Dragon Quest die gängigen Genre-Konventionen fest, deren Auswirkungen bis in die aktuellsten Spiele reinreichen ... und welchen Effekt hatte dies auf uns hier? Absolut gar keinen. Im Westen kann man Rollenspiele für das NES und Master System mit der Lupe suchen, die USA hatten wenigstens ein paar Dragon Warrior-Episoden und Final Fantasy I als Einstiegsdroge zur Verfügung, in Europa waren eher die Action-Adventures Marke Zelda dominant und reine RPGs dank des in den Kinderschuhen steckenden Importmarktes so gut wie nicht vorhanden.
Ob man es glauben mag oder nicht, meinen Einstieg in das Genre machte ich als Computer-Rollenspieler, neben den Lucasfilm-Adventures habe ich gerne SSI-Titel wie Buck Rogers: Countdown to Doomsday oder auch mal die alten Ultimas am C-64'er gezockt ... dank ihnen habe ich wohl Blut geleckt und mangels PC später meine Triebe auf den Konsolen ausgelebt. Das beste Konsolen-RPG dieser Generation fand sich übrigens merkwürdigerweise auf Segas Master System wieder, wo das Genre abgesehen von einem tollen Ultima IV-Port nicht existent ist ... Phantasy Star ist gemeint, welches heute noch mehr Spaß als die beiden Nachfolger macht. Dennoch, eine Schwalbe macht bekanntlich keinen Sommer, also gehen wir gleich mal zur nächsten Generation über.
16-Bit Freuden (Anfang bis Mitte der 90'er)
Das sieht doch schonmal gleich viel besser aus, Mega Drive und SNES gaben dem Gerne genau die richtigen Anstöße, um sich später zum Massenphänomen zu entwickeln. Sega hatte dank des frühen MD-Releases den Zeitvorteil vor Nintendo und fing dementsprechend schon früh mit der Produktion von Top-RPGs an: Phantasy Star 2, Shining in the Darkness und die Shining Force-Strategicals waren für die damalige Zeit würdige Genrevertreter, das Mega CD bescherte zumindest den Importfans dank den Lunars später schöne Zeiten.
Das SNES wurde in Europa zwar wie der Vorgänger erstmal primär mit Action-Adventures bedacht, aber auch vollwertige Rollenspiele waren hier keine Seltenheit mehr. Mit Breath of Fire 2, Lufia oder dem fantastischen Shadowrun wurde man als PALi mit schönen RPGs versorgt, der aufkeimende Importmarkt ergänzte die Bibliothek um diverse Squaresoft- und Enix-Titeln. Als sich die 16-Bit Zeit dem Ende zuneigte wurden die schweren Geschütze aufgefahren: Phantasy Star IV war das Meisterstück von Sega und rundete die kleine aber feine Mega Drive-Riege ab, das Super Nintendo holte zum Doppelschlag aus und killte die Konkurrenz mit dem Final Fantasy III US / Chrono Trigger-Tandem. Die Konsolen-RPGs waren angekommen und damit in Lauerstellung, um den Rest der Welt zu erobern ...
RPG Heaven in 32-Bit (Mitte der 90'er bis Anfang 2000)
Obwohl das Genre dank einer Handvoll neuer Titel relativ früh seinen Einstand auf Saturn und PSOne feierte, brauchte es erst einen richtigen Paukenschlag, um aus seinem Nieschendasein zu entkommen ... enter Final Fantasy VII. Der unglaubliche Hype der das Spiel begleitete sprang von den Hardcore-Fans auf den Rest der Gamer um und bescherte Squaresoft Millionenumsätze, welche mit japanischen Exklusivtiteln nie hätten erreicht werden können. Der Erfolg von FF7 weckte nun auch den Rest der Entwicklergemeinde auf, die im Akkord ähnlich opulente und / oder innovative Werke weltweit auf den Markt brachten und so die wohl ertragreichste Ära für Konsolen-RPGs einläuteten. Alleine die Spielebibliothek der PSOne reicht schon um einen mit der Zunge schnalzen zu lassen: Final Fantasy, Breath of Fire, Suikoden, Persona, Xenogears, Valkyrie Profile, Chrono Cross, Lunar ... ein deart umfangreiches Angebot an Top-Titeln gab es seitem nicht mehr.
Sega hielt sich mit dem Saturn zwar wacker, ging aber in der Sony-Flut etwas unter, denn wie zu 16-Bit Zeiten gab es Rollenspiel-Futter für die Konsole nur primär von Sega selbst. Daraus resultierten immerhin einige Highlights wie Shining the Holy Ark, Panzer Dragoon Saga oder Shining Force III, mit denen man insgesamt aber nur wenig an der PSone-Dominanz kratzen konnte. Schlimmer sah es bei Nintendo aus, die durch das Beharren auf die Modultechnik und wegen unfairer Lizenzbedingungen es den 3rd-Parties schwer machten, das nun speicherplatzhungrige Genre auch auf dem N64 zu etablieren ... nur der Meilenstein Paper Mario war ein kleiner Lichtblick. Letztendlich spielte das Versagen von Nintendo aber keine Rolle, dank Saturn und PSOne fühlte man sich quasi im RPG Heaven (hehe ;) und der Ausblick in die Zukunft sah mehr als rosig aus.
Der Nextgen-Schlussakkord in Moll (Anfang 2000 bis Heute)
Die herausragende 32-Bit Ära weckte nun Erwartungen an die folgende Konsolengeneration, die eigentlich leicht zu erfüllen schienen, das Motto war: "Wir wollen weiterhin tolle Spiele, die dank der massiven 3D-Power auch endlich mörderisch gut aussehen". Anscheinend war dem Credo aber doch nicht so leicht zu folgen, denn gleich zu Beginn gab es mehrere Enttäuschungen. Der Dreamcast machte in Sachen RPGs beinahe dem N64 Konkurrenz, da Sega kaum noch selber im Genre aktiv war und die 3rd-Parties sich die Wartezeit auf die PS2 lieber mit lukrativen PSOne-Titel vertrieben. Sega versuchte zwar mit dem fantastisch-aussehenden Skies of Arcadia noch die Wende einzuleiten, aber das überschätzte Game konnte den Niedergang der Konsole und Sega als Hersteller von guten Spielen nicht verhindern. Nintendo lernte ebenfalls nicht viel aus ihren Fehlern und machte den Gamecube für RPG'ler nur marginal mit einer Handvoll Titeln Marke Tales of Symphonia oder Baten Kaitos attraktiver, die aber den Kauf der Konsole nicht unbedingt rechtfertigten. Blieben also alle Hoffnungen auf der PS2 ...
Die erste Software-Welle für die PlayStation 2 war katastrophal, es gab insgesamt wenige Highlights, die Grafik-Versprechen wurden nur bedingt eingelöst und eine Flut an Müll-RPGs überschwemmte die Gemeinschaft. Eternal Ring, Evergrace, Ephemeral Fantasia, King's Field ... allesamt des Genres unwürdig und Spielspaßkiller vor dem Herren. In der Folgezeit spülten zwar einige durchaus-anständige Spiele wie Dark Cloud, Dual Hearts oder Okage: Shadow King den schlechten Geschmack etwas weg, aber wie schon bei der PSOne musste Squaresoft wieder ran, die mit Final Fantasy X die Rollenspiele engültig ins neue Jahrtausend hievten. Leider stellte FFX im Nachhinein nicht den Startschuß in eine neue goldene Ära dar, sondern war auch hier mehr ein Lichtblick im Mittelmaß. Viele etablierte Serien erlebten mit dem Sprung auf die PS2 einen Einbruch, weder Suikoden noch Wild ARMs oder Front Mission konnten von der Spielbarkeit her an ihre Vorbilder anknüpfen. Herausragende Titel wie Breath of Fire V hingegen wurden so gut wie ignoriert und stattdessen gepflegtes Mittelmaß Marke Kingdom Hearts gepusht ... die Grafik wurde mit der Zeit immer hübscher, aber der Spielspaß wuchs nicht mit. Es half wenig dass die besten PS2-Vertreter eher Spiele wie Legaia: Duel Saga, Wizardry oder Shadow Hearts waren, die auf der PSOne in der Masse der richtigen Kracher untergegangen wären. Die ersten PS2-Jahre waren wirklich kein Zuckerschlecken ...
Heutzutage, das Ende der PS2 sowie die nächste Konsolen-Generation am Horizont sichtbar, hat sich die Lage ein wenig entspannt. Microsofts XBox kam und verschwand zwar wieder recht schnell von der Bildfläche, liess aber dafür eine Handvoll an durchaus interessanten West-RPGs zurück, die eine Alternative zu den meist schnarchigen Ost-Rollenspielen boten, Morrowind, Knights of the Old Republic, Fable oder Jade Empire seien dabei mal genannt. In der Flut der PS2-RPGs rutschen mittlerweile zum Glück auch ein paar Spiele durch, die Erinnerungen an die besseren Zeiten wecken: Radiata Stories beispielsweise ist ein toller Suikoden-Abklatsch, die Shadow Hearts-Spiele haben sich einen guten Ruf erarbeitet, Atlus bringt ein Megaten-RPG nach dem anderen raus und über Dragon Quest VIII brauche ich mich nicht weiter auslassen, denke ich mal ... :)
Nichtsdestotrotz, wenn ich mir die Spielebibliotheken der PSOne und der PS2 gegenüberstelle wird deutlich, dass die Masse an überdurchschnittlichen bis guten Spielen zwar zugenommen hat, es dafür im Gegenzug aber an wirklichen Topkrachern mangelt. Wo im FF7-Fahrwasser Innovation und Spielwitz gepflegt wurden, ist in der aktuellen Generation wegen der explodierten Entwicklungskosten nicht mehr soviel Gelegenheit für Neues da, Sequels, Spinoffs und ausgetretene Gameplay-Pfade dominieren die Rollenspiel-Landschaft. Das Ergebnis sind dann eben ein paar gelungene Games hier und da die durchaus Spaß machen können, das Genre aber insgesamt im Kreis laufen lassen, und ich weiss nicht wie lange das noch gutgehen kann ...
Blick in die Zukunft ...
Ehrlich gesagt sehe ich keine allzu-rosigen Aussichen für unser Lieblingsgenre. Square hat seit dem Zusammenschluss mit Enix quasi den Markt diktiert und fast alle Neuentwicklungen aufgegeben, um stattdessen lieber Final Fantasy und Dragon Quest auszuschlachten. Die Verdienste beider Serien zwar in allen Ehren, aber diese geplante Monokultur macht mir ein wenig Angst, wenn der Tag kommt an dem ich im Laden nur FF oder DQ kaufen kann wird es vielleicht Zeit sich ein anderes Hobby zu suchen. Faktum ist natürlich dass sich selbst Square Enix bei derartigen Zahlen keinen Flop mehr erlauben kann, deswegen macht die Konzentrierung auf Final Fantasy auch irgendwie Sinn, sollte das Publikum aber ähnlich wie beim Bombast-Hollywood Kino irgendwann dem Ganzen überdrüssig sein, könnte dies einen Crash bislang ungeahnten Ausmaßes auslösen ...
Es bleibt dabei natürlich die Frage offen wie die anderen Hersteller auf diese Situation reagieren, machen sie das "Wettrüsten" mit Square Enix mit, suchen sie sich lieber eine andere Nische abseits von Pomp und Opulenz oder geben sie das Genre gar komplett auf? Ich persönlich hoffe auf den zweiten Punkt, denn mit weniger Druck und Erwartungen könnte vielleicht wieder ein wenig Innovation gedeihen. Außerdem scheint mittlerweile auch der Rest der Welt das Talent zum Japano-RPG gefunden zu haben, Konami beispielsweise lässt in Shanghai entwickeln, und der boomende Korea-Markt macht mit eigenständigen Spielen wie Magna Carta von sich reden. Drücken wir dem Genre die Daumen, als dass es nicht den Weg der Grafik-Adventures geht und nur alle paar Jahre als Retro-Trend wieder aufersteht. Es wird noch interessant werden ...
Greg, Mai bis Juni 2006 ~ Kommentar-Thread

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