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Den Drachen auf der Spur

Die Geschichte von «Dragon Quest»


von Greg

 
 

 

In Japan grassiert grassiert ab nächster Woche das Fieber. Überall werden sich Leute krankschreiben lassen, die Schulen sind fast leer sein, Konzerte wie Sportveranstaltungen werden auffällig schlecht besucht. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie so mancher vermuten würde, um einen Ausläufer der Schweinegrippe - nein, ganz Japan verfällt nämlich dem Rollenspiel-Wahn. Am 11. Juli 2009 wird «Dragon Quest IX» für den Nintendo DS erhältlich sein und wird alle in seinen Bann ziehen, egal ob knallharte Geschäftsmänner oder pausbäckige Viertklässler.

Wer sich mit der fernöstlichen Gamer-Kultur mal näher beschäftigt hat, der kennt die Prozedur. Schon Tage vor Release eines neuen Teiles bilden sich lange Schlangen vor den Läden, aufwändige Werbespots schüren den Hype ins Unermessliche, die Exemplare werden den Verkäufern millionenfach aus den Händen gerissen... und dann ist auf einmal Ruhe. Alle sind am Zocken, die Produktivität ist im Keller. «Dragon Quest» hat die Japaner derart fest im Griff, dass selbst die Premiere eines neuen «Batman»-Films dagegen reinster Kindergeburtstag ist.

Um das Ereignis entsprechend zu würdigen habe ich mich entschloßen, der Serie ein sattes Special zu widmen. Bevor ich mich aber im Detail mit den einzelnen Titeln auseinandersetze, möchte ich einen kleinen Blick in die Entstehungs-Geschichte von «Dragon Quest» werfen. Wie genau fing eigentlich alles an? Warum krähte in den USA kein Hahn nach der Serie, während die Japaner verrückt danach sind? Wie sah es in Deutschland aus? Es folgt nun "Lebenslauf" der Urvaters aller Japano-RPGs...


«Die Geburt eines Genres»

Obwohl das erste «Dragon Quest» im Frühjahr 1986 erschien, wurde der Grundstein der Serie bereits lange Zeit vorher gelegt. Als Gewinner eines Programmierwettbewerbes durfte der junge Nachwuchs-Journalist Yuji Horii '83 in die Staaten reisen, wo er das erste Mal mit den Computerspiel-Klassikern «Ultima» und «Wizardry» in Kontakt kam. Wieder in Japan zurück kaufte er sich begeistert einen Mac und gründete mit ein paar mitgereisten Kollegen das Entwicklerstudio «Armer Project». Flux bastelten sie für Publisher Enix das Grafikadventure «The Portopia Serial Murder Case» zusammen, landeten damit einen Achtungserfolg und inspirierten u.a. einen jungen Hideo Kojima, sein Glück in der Videospiel-Branche zu versuchen.

Der Erfolg von «Portopia» gab Horii nun genug Einfluss, um sein Wunschprojekt bei Enix durchzusetzen: ein Konsolen-RPG sollte es werden. Gemeinsam mit Komponist Koichi Sugiyama, dem «Dragon Ball»-Mangaka Akira Toriyama sowie den Programmier-Kollegen von «Chunsoft» machte sich Horii sogleich mit Eifer ans Werk. Bei all dem anfänglichen Enthusiasmus war der Weg bis zum fertigen Produkt allerdings lang und beschwerlich - schließlich hatte noch nie jemand ein so ambitioniertes Konsolen-Projekt auf die Beine gestellt. Es folgten hitzige Diskussionen um jede Dialogzeile, selbst die Größe der «Ja/Nein»-Antwortfenster wurde debattiert, teilweise hat man Tag und Nacht durchgearbeitet um Last Minute-Änderungen einzubauen. Würde am Ende die Rechnung aufgehen?

Am 27. Mai 1986 folgte schließlich der Release und Japan gab die Antwort: Ja, die Rechnung ging auf. Unter dem Namen «Dragon Quest» auf dem NES veröffentlicht setzte das Spiel satte 1,5 Millionen Exemplare ab und etablierte damit quasi aus dem Stand ein neues Genre. Der genaue Grund für den massiven Erfolg ist heutzutage umstritten. Die einen rechnen die Popularität dem damals revolutionären Spielsystem an - es war schließlich brandneu und dazu noch (für ein Konsolenspiel) unglaublich komplex. Andere hingegen sehen Akira Toriyama als entscheidenden Faktor. Dessen «Dragon Ball»-Mangas waren '86 auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, jetzt war auf einmal ein Videogame im gleichen Look in den Läden und hatte dazu das Wort «Dragon» im Namen - da war es fast schon irrelevant, dass auch noch ein echt tolles Spiel in der Packung steckte.

Letztenendes ist es aber auch egal, was nun genau der Auslöser war. Horii und Kollegen hatten ihre Formel gefunden und schleiften mit jeder Fortsetzung konsequent daran weiter, ohne dabei das Rad von Neuem zu erfinden. Ein clevere Taktik, wie sich herausstellte - so wurden traditionsbewusste Fans als auch Neueinsteiger gleichermaßen angesprochen, die Verkaufszahlen schossen in die Höhe. Nach rund zwei Dutzend Sequels und Spinoffs ist der Einfluss von «Dragon Quest» auf die Kultur Japans heutzutage größer denn je - über 95% der Bevölkerung ist die Serie Begriff, selbst kleinste Nebenfiguren wie das knuffige Schleim-Monster haben Kultstatus erlangt und Sugiyamas einprägsame Titelmusik ist teilweise bekannter als die Nationalhymne.


«In Japan Hui - ansonsten pfui!»

Leider konnte «Dragon Quest» im Rest der Welt bei weitem nicht an diesen Erfolgen anknüpfen. In den USA war sich Nintendo beispielsweise lange Zeit nicht sicher, ob die Konsolenspieler bereit für so einen "harten Brocken" sind. Nur widerwillig erteilte man die Lizenz und brachte das Spiel unter dem neuen Namen «Dragon Warrior» heraus. Leider war es da schon Ende '89, das Original weit über 3 Jahre alt und damit hemmungslos überholt - ergo wurde nur ein Bruchteil der produzierten Auflage durch verkauft. Das dicke Ende folgte dann etwas später, denn analog zum steigenden Absatz in Japan fielen die US-Zahlen dermaßen in den Keller, dass nach dem Megaflop von «Dragon Warrior IV» die Serie im Westen auf Eis gelegt wurde.

Europa wurde von diesem Desaster verschont, was allerdings an dem einfachen Grund lag, dass die Spiele dort gar nicht erst veröffentlicht wurden. Eigentlich schade für die hiesigen Rollenspieler, aus wirtschaftlicher Hinsicht dennoch eine durchaus sinnvolle Entscheidung. Rechnet man nämlich die typisch-lange Lokalisationszeit nochmal hinzu wäre das erste «Dragon Quest» wohl irgendwann 1992 hier aufgeschlagen und hätte dann erst recht wie ein Relikt aus der Steinzeit gewirkt. Der erste offizielle Kontakt der Europäer mit der Serie folgte mit dem von «Pokémon» inspirierten GameBoy-Titel «Dragon Quest Monsters» erst zur Jahrtausendwende.

In der Zwischenzeit probierte man bei Enix immer wieder mal, mit kleinen Remakes oder Spinoffs die Serie doch noch in den Staaten zu etablieren. Die beste Chance dazu bot sich im Jahr 2000 - da hatte Konkurrent Squaresoft mittlerweile dank «Final Fantasy VII» die Japano-RPGs salonfähig gemacht und dem Genre zu imposanten Verkaufszahlen verholfen. Das Unterfangen sollte allerdings wieder mal spektakulär scheitern, denn wo «Final Fantasy» mit bombastischer Technik und dicht-gewebter Story aufwartete, wirkte das grafisch miserable und auf Gameplay fixierte «Dragon Warrior VII» für viele wie ein schlechter Scherz. Die Japaner störten sich nicht dran, dort setzte das Spiel fast 4 Millionen Exemplare ab, in den USA wurde aber nur knapp die 100.000er-Marke durchbrochen.


«Später Ruhm»

Zum Glück sollte sich trotz der vielen Fehlstarts das Blatt doch noch wenden. Squaresoft verlor durch den «Final Fantasy: The Spirits Within»-Kinofilm über 100 Millionen Dollar und geriet finanziell ins Straucheln. Enix packte die Gelegenheit beim Schopf und kaufte im Jahr 2003 den geschwächten Konkurrenten auf - der Japano RPG-Gigant Square Enix war geboren, «Final Fantasy» und «Dragon Quest» waren ab sofort unter dem selben Dach. Neben der erfolgreichen Marken verfügte Enix nun aber vor allem über den Geschäftssinn der Squaresoft-Leute - die wussten nämlich, wie man Rollenspiele im Westen vermarktet. Für «Dragon Quest VIII» wurde Horii dementsprechend mit Level 5 eines der talentiertesten Entwicklerteams der Neuzeit zur Seite gestellt. Das Ergebnis war ein imposantes Mammut-RPG, welches grafisch wie spielerisch zum Besten auf der PlayStation 2 zählt.

Für den US-Release wurde diesmal nichts dem Zufall überlassen. Man pumpte sehr viel Geld in die aufwändige Lokalisation, TV-Spots wurden geschaltet, sogar eine exklusive Demo von «Final Fantasy XII» wurde dem Spiel beigelegt. Der Plan ging auf - weit über eine Million «Dragon Quest VIII»-Exemplare konnten außerhalb Japans an den Mann gebracht werden, mehr als von allen bisherigen Teilen zusammen. Den Großteil davon steuerten überraschenderweise die Europäer bei, bei denen der leicht britische Touch des Spieles anscheinend besser ankam als bei den Amis.

Jedenfalls war damit der Bann gebrochen und seitdem ist «Dragon Quest» zur Weltmarke geworden. Egal ob Spinoff, Remake oder richtige Fortsetzung, beinahe jedes Spiel kommt hierzulande in die Läden. Dies gilt natürlich auch für «Dragon Quest IX», von dem Square Enix bis dato allerdings kein offizielles Datum genannt hat. Dass es hierzulande kommt ist aber so sicher wie das Amen in der Kirche - die Japaner sind nur eben momentan "beschäftigt" und brauchen nun etwas länger. Immerhin wissen wir schon grob wie es danach weitergeht: «Dragon Quest X» wurde Ende 2008 mit großem Tamtam angekündigt und darf sich jetzt schon den Titel des wohl erfolgreichsten Rollenspiels auf der Wii einverleiben.

Im nächsten Teil dieses Specials folgen nun nach und nach Infos und meine Gedanken zu allen «Dragon Quest»-Titeln, die in all den Jahren so erschienen sind. Wer Bock darauf hat jetzt schon im Detail über die Spiele zu lesen, der darf sich in den Sektionen zu «Dragon Quest IV», «Dragon Quest V», «Dragon Quest VII», «Dragon Quest VIII», «Dragon Quest Monsters» und «Dragon Quest Rocket Slime» austoben.

 

Greg, 5 Juli 2009 ~ Kommentar-Thread