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Findet Sega endlich mal wieder zur alten Form zurück? Seitdem das japanische Traditionshaus nach der Dreamcast-Ära in finanzielle Engpässe geriet dominierten Fortsetzungen, Ports und Remakes die Release-Listen, vorbei schienen die Zeiten von kreativen Neuentwicklungen wie Shenmue, Jet Set Radio oder REZ ... enter Ryu ga Gotoku. Das ambitionierte PS2-Großprojekt rund um die japanische Mafia verschlang ein Budget von umgerechnet ca. 21 Mio $ und sorgte für viel Aufsehen in der Heimat, da sich erstmals ein Videospiel akkurat mit der Welt der Yakuza auseinandersetzen sollte. Zu relativ moderaten Verkäufen im Dezember 2005 gestartet, setzte das Spiel in den Augen von Sega aber dennoch genügend Stückzahlen ab um einen Nachfolger zu garantieren, der pünktlich zur Veröffentlichung der westlichen Versionen im September 2006 für das kommende Weihnachtsfest angekündigt wurde.
In Yakuza dreht sich alles, wie es der Name schon recht unmissverständlich andeutet, rund um die Welt des japanischen organisierten Verbrechens. Wir übernehmen die Rolle von Kazuma Kiryu, seines Zeichens respektiertes Mitglied der Yakuza und auf dem kurz vor einer "Beförderung", als ihn ein tragischer Zwischenfall für 10 Jahre in den Knast wandern lässt. Wieder auf freiem Fuß, überschlagen sich die Ereignisse und es liegt nun an uns, da wieder halbwegs schadlos wieder rauszukommen und der Verschwörung, die sich im Hintergrund abspielt, auf den Grund zu gehen. Damit das Spiel möglichst authentisch rüberkommt engagierte Sega in Japan bekannten Roman-Author Hase Seishu, welcher dem Skript und Figuren den nötigen Pfiff verleiht und so die Geschichte über das Niveau der gängigen Videospiel-Storylines hebt. Kazuma & co. sind allesamt sorgfältig und variabel charakterisiert, der Spannungsbogen wird kontinuierlich bis zum furiosen Finale ohne größere Hänger aufgebaut und regelmäßig eingestreute Plot-Twists halten einen zusätzlich bei der Stange. Natürlich wird bei allem Vorsatz der Authentizität kräftigst überzeichnet und auf Klischees gesetzt, aber ohne diese übertriebene Darstellung würde der Plot wohl nur halb so viel Spaß machen. Ich kann jedenfalls sagen, trotz der oft etwas längeren Cutscenes war ich immer mit Interesse dabei, was bei vielen vergleichbaren Spielen nicht mehr der Fall ist.
Von der spielerischen Seite her muss sich Yakuza von Außenstehenden oft Vergleiche mit Shenmue gefallen lassen, die Ähnlichkeit zwischen beiden Spielen ist im Endeffekt aber nur recht oberflächlich, da Yakuza das Gewicht primär auf Story und Kämpfen anstatt auf eine "lebensnahe" Simulation legt. Im Tokyo der heutigen Zeit angesiedelt, lässt Yakuza einen zwischen den Story-Parts frei durch die aufwendig gestalteten Straßen der Stadt wanden, wo es dann eine Menge abseits der eigentlichen Geschichte zu finden gibt. Dutzende von Geschäften, Bars, Spielhöllen oder gar Stripclubs laden zum Besuch ein, es gibt vom Baseballspielen über eine ausgewachsene Dating-Sim etliche Minigames zum ausprobieren und ein ordentlicher Batzen Sidequests wartet darauf, entweder mit Hirnschmalz oder purer Gewalt gelöst zu werden. Das freie "Herumstromern" sorgt für ordentlich Atmosphäre und gibt einem etwas Luft zum Atmen, sollte man mal keine Lust auf das ständige Weiterführen der Geschichte haben. Damit die Action dabei nicht zu kurz kommt haben die Entwickler an verschiedenen Punkten der Stand "Random Encounter" eingebaut, die gut für das Bankkonto und die RPG-artige Experience-Leiste sind, mit etwas Voraussicht aber so gut wie immer umgangen werden können. In diesem Sinne widmen wir uns dann endlich mal der Battle-Engine.
Wie schon erwähnt wird in Yakuza gerne immer wieder mal "auf's Maul gehauen", so dass der Kampfmodus den zentralen Punkt des Gameplays einnimmt, welcher in meinen Augen aber an einigen Problemen zu knabbern hat. Steht ein Kampf an, wird meistens auf ein begrenztes Areal umgeschaltet, in dem sich Kazuma bis zu maximal über einem halben Dutzend Gegnern stellen muss. Zu diesem Zwecke habt ihr ein Arsenal an Schlag-, Greif- und Trittcombos zur Verfügung, ebenso gibt es verschiedene griffbereite Waffen oder Einrichtungsgegenstände, die zweckentfremdet werden dürfen. Leider bewegt sich Kazuma recht träge durch die Gegend und hat insbesondere gegen Gruppen gerne mal das Nachsehen, dazu ist der rechte Stick nicht mit der Kamera belegt, wodurch im Getümmel das Nachjustieren per R2-Taste nicht immer ideal klappt. Im Laufe des Spieles kommen zwar immer mehr Moves und Fluchtoptionen dazu, die einem das Kämpfen ordentlich erleichtern, aber ich hatte nie das Gefühl, die Gegner wirklich effizient auseinandernehmen zu können. Manchmal macht einem auch die Lokalität selber einen Strich durch die Rechnung: Wenn euch eine Transe per Shotgun traktieren will oder eine Gruppe messerschwingender Gangster auf euch zustürmt, dann sollte man zumindest die Möglichkeit haben effektiv auszuweichen, wenn dies wie so oft nicht gegeben ist werden die Dinge unnötig verkompliziert. Wirklich schwer ist das Spiel nicht, dank unendlich Continues kann man jeden Kampf immer wieder angehen und die Schwachstellen eures Gegenüber ausloten, aber eine intuitivere Steuerung und justierbare Kamera während der Battles hätte wirklich nicht geschadet ...
Auch wenn Yakuza in Sachen Battle-Engine schwächeln mag, die technische Seite gibt sich keine Blöße. Die Grafiker haben eine wirklich schmucke Optik aus der betagten PS2 gezaubert, Umgebung sowie Modelle sind sauber und detailliert, die Framerate sitzt trotz sehr belebter Straßen bombenfest bei 30 fps und das Texturenproblem der Konsole ist nur in der Nahansicht zu erkennen. Da Tokyo von unzähligen, bunten Reklame- und Neonschildern gesäumt wird gibt es Tag wie Nacht hübsche Lichteffekte zu bewundern, das dröge "Großstadtfeeling" wird dadurch geschickt umgangen. Die Zwischensequenzen sind alle per InGame-Grafik realisiert worden und vermitteln dank gelungenem Motion Capturing glaubhaft die dargestellten Szenen, der cinematische Eindruck wird von der leider nicht ganz lippensynchronen Sprachausgabe unterstützt. Apropos Sprachausgabe: Sega musste etwas an Kritik einstecken, weil sie aus Platzgründen die originale Japano-Synchro aus des westlichen Versionen gestrichen haben. Eine wählbare Sprachoption wäre angesichts der Thematik zwar wünschenswert gewesen und hätte sicher einiges zur Atmosphäre beigetragen, die englische Synchro ist aber ebenfalls recht brauchbar und braucht sich vor vergleichbaren Projekten nicht zu verstecken. Wenn man sich die Sprecherliste anschaut ist einiges an bekannten Hollywood-Schauspielern dabei, unter ihnen Leute wie Michael Madsen (Kill Bill), Mark Hamill (Star Wars), Dwight Schultz (A-Team) und Eliza Dushku (Buffy), die bis auf wenige Ausnahmen alle recht engagiert dabei sind. Musikalisch packt Sega wie so oft die Gitarre aus und schmettert einen knackigen Soundtrack aus den Lautsprechern, gerade in den Battles gibt es ein paar schön-eingehende Themes zu hören, aber auch ruhigere Passagen wurden adäquat vertont und mit passendem "Passanten-Gemurmel" unterstützt. Alles in allem sieht man Yakuza sein Budget deutlich an und es weckt die Hoffnung, dass Sega die teuer entwickelte Grafik-Engine noch für viele weitere PS2-Spiele einsetzen wird.
Was bleibt noch übrig? Das Item-Management ist etwas zu anstrengend ausgefallen, Kazuma hat eine Handvoll Slots für Waffen und andere Gegenstände zur Verfügung, die wohl auch Sinn machen damit man nicht ständig als Ein-Mann-Armee herumläuft, im Adventure-Part nervt das Limit aber öfters mal. Sind eure Slots gefüllt muss man mit Resident Evil-artigen Kisten hantieren, was bei über 300 verschiedenen Items trotz Sendeautomatik öfters mit unnötiger Laufarbeit und (in diesem Fall) nervenden Ladezeiten verbunden ist. Ansonsten war's das eigentlich, Sega hat mit Yakuza wie erwähnt ein gelungenes, storygetriebenes Actionspiel auf die Beine gestellt, welches dank aufwendiger Inszenierung, dem spaßigen Adventure-Modus und eingestreuten Gameplay-Überraschungen gut die Balance hält. Wäre die Battle-Engine jetzt noch etwas zugänglicher und mit einer flacheren Lernkurve ausgestattet könnte man glatt von einem Must-Have sprechen, so bleibt es aber immer noch ein guter Titel für ein paar spannende Nachmittage. Wenn sich jemand übrigens ganz besonders in einen der beiden großen Gameplay-Parts vernarrt hat, nach dem Durchspielen werden separate Adventure- und Kampfmodi freigeschaltet in denen man frei von der Storyline nach Herzenslust viele Stunden dranhängen kann.
Fazit : Yakuza ist ein spektakulär inszeniertes Gangster-Drama, welches den kampflastigen Spielablauf geschickt mit Adventure-Einlagen in einem aufwendig nachgestellten Tokyo aufpeppt. Angesichts der Flut an Hip Hop-Gewalt und Mafia-lastigen Titeln in den letzten Jahren präsentiert Sega mit dem Spiel sozusagen Japans Antwort auf diese Thematik und stellt dank Millionen-Budget sicher, dass zumindest stimmungstechnisch die Konkurrenz blaß aussieht. Leider hat sich Sega aber auch im zentralen Dreh- und Angelpunkt, der Battle-Engine, ein paar Schnitzer erlaubt und nimmt Yakuza dadurch leicht den Wind aus den Segeln, unter dem Strich bleibt aber immer noch ein sehr solides Spiel übrig, dessen Durchspielen sich schon alleine für die Storyline lohnt.
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