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Mit Xenogears erschien 1998 auf der PSOne ein aufwendiges Mecha-RPG, welches sich dank Neon Genesis Evangelion-Einschlag und hochkomplexer Storyline schnell zum Kultobjekt mauserte. Trotz des Verkaufserfolgs von XG hielt sich der damalige Publisher Squaresoft über eine mögliche Fortsetzung sehr bedeckt, welche letztendlich auch nicht mehr kommen sollte, nachdem ein Großteil der Entwickler zu namco wechselte. Die liessen sich nicht lange bitten und kündigten als Pilotprojekt des neuen RPG-Studios Monolith Software die Entwicklung von Xenosaga an, einem Prequel zu Xenogears und Startschuß einer langlebigen Serie. Anfang 2002 war es in dann Japan soweit und Xenosaga Episode I: Chikara e no Ishi schaffte es in die Läden, recht genau 1 Jahr später kam endlich die verständliche US-Fassung unter dem deutschen Titel "Der Wille zur Macht" heraus.
Warum nun ein Prequel? Als Xenogears seinerzeit für durchwachte Nächte sorgte wunderten sich bestimmt nicht wenige Spieler über den kleinen Zusatz "Episode V" im Intro. Zwar war die Storyline von XG in sich abgeschlossen, liess aber auch etlichen Spielraum für andere Geschichten vor und nach der eigentlichen Handlung offen. Ob nun das Xeno-Universum schon damals komplett ausgearbeitet worden war und sich XG am ehesten für einen Release anbot oder sich die Entwickler einfach nur ein paar Optionen freihalten wollten, sicher ist nur dass Autor und Regisseur Tetsuya Takahashi die Idee für Xenosaga aufgriff und mit Episode 1 ganz an den Anfang ging. Aus diesem Grund beginnt das Spiel auch mit einem kurzen Blick in unsere Gegenwart, springt dann aber gleich in den eigentlichen Handlungszeitraum.
Tausende von Jahren in der Zukunft hat die Menschheit die Erde verlassen und existiert nur noch im tiefen Weltraum. Die Rätsel des Universums sind dank der fortgeschrittenen Technologie größtenteils gelöst, nur der Zophar, ein Artefakt welches seit Anbeginn der Zeit existiert, bleibt noch ein Mysterium. Währendessen müssen sich die Menschen gegen die brutalen Übergriffe der Alienrasse Gnosis zur Wehr setzen. Wir steigen in die Rolle von Shion Uzuki ein, ihres Zeichens Wissenschaftlerin für den Großkonzern Vector. Auf dem kleinen Raumkreuzer Woglinde legen sie und ihr Team gerade letzte Hand an einer möglichen Wunderwaffe gegen die Gnosis: Die Roboter-Dame KOS-MOS. Ausgestattet mit einem Arsenal an Spezial-Waffen und experimenteller Technologie steht KOS-MOS kurz vor ihrem ersten reellen Kampfeinsatz, der jedoch früher zu kommen scheint, als allen lieb ist ...
Nach diesem filmreifen Intro hat man als Xenosaga-Spieler schon einen guten Eindruck davon bekommen, wie man demnächst die meiste Zeit vor der PS2 verbringen wird: mit dem Anschauen von Zwischensequenzen. War schon Xenogears berüchtigt für seine ellenlangen Storypassagen, setzt Xenosaga locker noch einen drauf und leistet sich desöfteren mal eine halbe Stunde lange Rendermovies oder Gesprächsrunden bis zum Morgengrauen. Dass die Storylines oft ein sehr wichtiger Teil von Japano-RPGs sind ist natürlich keine Seltenheit, hier aber liegt der Focus eindeutig auf dem Transportieren der Handlung und erinnert mit dem Movie / Spielzeit-Verhältnis eher an Konamis Metal Gear Solid-Reihe als denn an ein klassisches Rollenspiel. Zum Glück hat Monolith beim Gestalten der Movies genug Sorgfalt walten lassen um die zu erwartenden Ermüdungserscheinugnen einzuschränken. Sämtliche Sequenzen sind in der InGame-Optik gehalten und gehen nahtlos von Grafikengine in Rendermovies über, darüberhinaus braucht man so gut wie nicht mitzulesen, da alles komplett in Englisch vertont wurde. Das Synchroteam lieferte dazu noch eine ganz passable Leistung ab, denn neben passenden Stimmen wurde auch auf einen gewissen Grad an Lippensynchronität geachtet, was Stimmung und Atmosphäre doch recht zuträglich ist. Zuguterletzt und vielleicht auch am wichtigsten: Jedes Movie lässt sich jederzeit per Tastenkombination überspringen, so werden unnötige Wiederholungen nach vertanen Bosskämpfen vermieden und beim mehrfachen Durchspielen die Geduldsfäden geschont.
Auch wenn Xenosaga oft den Anschein macht mehr ein Interactive-Movie als denn ein RPG zu sein, wurde dennoch viel Arbeit in den spielbaren Teil investiert was sich in vielen Bereichen äußert. Selbst der größte Fan von Xenogears kam nicht umhin die doch recht zahlreichen Gameplay-Schwächen des Vorgängers zu bemerken, diese ist Monolith glücklicherweise sehr konsequent angegangen und hat sie eigentlich recht gut gelöst. Die nervtötende Suche nach dem korrekten Sichtwinkel ist komplett verschwunden, feste Positionen sowie automatische Kamerafahrten rücken das Geschehen stets in das rechte Licht. Random Encounters wurden ebenfalls abgeschafft, gegnerische Parties stolzieren nun immer sichtbar durch die Kampfgebiete, durch Ausnutzen von bestimmten Begebenheiten der Umwelt können sogar oft noch Boni für die Kampfsituation herausgeschlagen werden. Die Dungeons sind dezent mit kleinen Rätseln gespickt wodurch der Kampfalltag ein wenig aufgelockert wird, obendrein kann man aktiv per Blasterkanone diverse Einrichtungsgegenstände zerballern um den Weg auf versteckte Durchgänge, Items und Gegner freizumachen.
Besonderes Augenmerk gilt natürlich der Battle-Engine, und hier liegt eine der Stärken von Xenosaga. Bot der Kampfmodus des Vorgängers oft Raum für spannende Fights, lief er sich dennoch ab einem gewissen Zeitraum aufgrund Schwächen in der Skill-Erarbeitung in eine Sackgasse. Um dies zu vermeiden wurden nur gewisse Grundaspekte beibehalten und ansonsten viele neue Ideen eingebaut. Ihr tretet wie gehabt zu dritt und rundenbasiert gegen eure Gegnerschaft an, Angriffe sind im Tausch für Ability Points frei wählbar. Dabei wird diesmal zwischen physischen und den magischen "Ether"-Attacken unterschieden, die sich je nach Anfälligkeit des Gegners und durch geschicktes Kombinieren zu besonders einschlagenden Combos verknüpfen lassen. Die Reihenfolge der Aktionen wird durch verschiede Eigenschaften bestimmt und kann durch den Einsatz des sogenannten Boostmeters beeinflusst werden. Der Boostmeter ist ein Balken der kontinuierlich aufgebaut werden kann und einem so ermöglicht, sich die nächste Aktion im Kampf zu sichern. Da nicht nur ihr sondern auch die Gegner über diese Möglichkeit verfügen wird das "boosten" zu einer wichtigen taktischen Note, um sich beispielsweise eine Heiloption für den Notfall freizuhalten oder eurem Gegenüber keine Chance für tödliche Attacken zu lassen.
Durch das Zusammenspiel dieser und noch vieler anderer kleiner Faktoren wachsen bei Xenosaga selbst normale Encounter über das genreübliche Buttonmasher-Niveau hinaus und belohnen bedachtes Vorgehen mit Erfolgserlebnissen und Punkteboni, die nach den Battles für eine Wagenladung an Skills, Zaubern und Statuswerten ausgegeben werden können. Die recht anspruchsvollen Bossfights fordern einen endlich mal wieder ordentlich heraus und machten für mich einen nicht unwesentlichen Anteil am Spielspaß von Xenosaga aus. Der einzige Teil der Battles der leider komplett in die Hose gegangen ist sind die Mecha-Kämpfe, die im Gegensatz zu Xenogears nicht mehr wirklich zwingend zum bewältigen bestimmter Situationen benötigt werden. Stattdessen bleiben sie komplett optional und man ist durch diverse Einschränkungen sogar eher im Nachteil als wenn man es bei der Standard-Kämpfern belässt. Es kann gut sein dass dieser Misstand bei Episode 2 behoben wird, aber hier kommt man auch ganz gut zurecht wenn man seine Mechas in der Garage stehen lässt.
Ein paar Worte zum technischen Bereich. Wie schon erwähnt sind die Rendermovies und die InGame-Grafik in der gleichen Optik gehalten, was schonmal einen gewissen Detailgrad voraussetzt, den Xenosaga auch durchaus besitzt. Die viel verwenden Chara-Modelle sind abgesehen von dem starken Anime-Einschlag der Gesichter realistisch modelliert und animiert und steuern viel zur Kinofilm-artigen Atmosphäre des Spieles bei. Die Umgebung kommt zwar oft aufgrund des ganzen Future-Looks etwas glatt und texturarm daher, passt aber dennoch ganz gut zum Setting des Spieles und trägt dazu dabei, dass die 30fps-Marke nur selten verlassen wird. Grafisch ist Xenosaga also kein üppiges Festmahl nach Final Fantasy X-Art geworden, aber dafür ein stimmiger Happen, der seine Muskeln in der Battle-Engine oder während der Rendermovies spielen lässt. Die größte Stärke von Xenogears war der Soundtrack, mit dem Komponist Yasunori Mitsuda die Arbeit seines Lebens abgeliefert hat, und auch hier ist er wieder an Bord. Im Gegensatz zu den keltisch-angehauchten Sounds von XG orientiert sich der Xenosaga-OST mehr an der Space-Opera Thematik und kommt oft im bombastischen Klassik-Sound daher, viele Stücke wurden sogar vom London Philharmonic Orchestra eingespielt. Dazu kommen ein wirklich erstklassiges Main-Theme und diesmal gleich 2 Abspannsongs mit der britischen Sängerin Joanne Hogg, von denen sich besonders "Kokoro" auf "Small two of Pieces"-Niveau bewegt und in keiner Plattensammlung fehlen sollte. Warum die Musikuntermalung meines Erachtens nach dennoch nicht ganz die Qualität von Mitsudas früheren Werken erreicht liegt daran dass erstens, ich persönlich kein Riesenfan von Klassik bin und mir die Abwechslung ein wenig fehlt und zweitens, dass der Soundtrack schlicht und einfach unterrepräsentiert ist. Viele Passagen im Spiel, denen eine Hintergrundmusik gut gestanden hätte sind stattdessen einfach nur in sonorem Schiffsbrummen gehüllt. Dies war wohl eine stilistische Entscheidung, die aber nicht so ganz aufgegangen ist.
Warum Xenosaga nun trotz der etlichen Verbesserungen trotzdem nicht die Klasse eines Xenogears erreichen kann liegt an mehreren Faktoren. Als erstes und wichtigstes ist die Tatsache, dass XS kein komplettes RPG ist sondern wirklich nur eine Episode in einer großen Geschichte. Ähnlich wie das Teilzeit-Adventure Shenmue von Sega endet Episode 1 ziemlich abrupt mitten in der Storyline und lässt den Spieler ohne jegliche Antworten auf den fernen Release des nächsten Teiles warten. Zugegebenermaßen sparten sich die Entwickler einen möglichen Ultra-Cliffhanger und suggerieren immerhin eine gewisse Art von "Ende", welches aber doch arg forciert und aufgebläht wirkt und einfach den Zweck erfüllt, möglichst viel Bombast und Dramatik in das Finale zu bringen. Wenn einem nach einer für diese Art von RPG lächerlichen Spieldauer von nicht mal 40 Stunden das "To be continued ..." entgegenflimmert, wurde nicht mal an der Oberfläche von Story und Charakterentwicklung gekratzt, woraus ein weiterer Schwachpunkt resultiert: eure Party. Kommen Cyber-Mensch Ziggy und der geheimnisvolle chaos noch halbwegs glaubwürdig rüber, kriegt man ansonsten eine Kinderriege vorgesetzt, bei der besonders Hauptchara Shion ab und an kräftig an den Nerven zehrt. Ansätze für einen positiven Entwicklung sind zwar vorhanden, kommen aber dank des plötzlichen Endes nicht aus den Startlöchern heraus. Das dabei keiner der Charas auch nur in die Nähe eines Fei, einer Elly, eines Citan oder eines Bart kommt, sei nur mal am Rande erwähnt.
Alles in allem ist Xenosaga doch insgesamt eine unbefriediegende Angelegenheit geworden. Zu einem haben wir die etlichen Verbesserungen und Updates zu Xenogears, die sich gerade im Spielsystem und der Präsentation äußern, zum anderen wiegen die Mankos und besonders das "To be continued ..." schwer und der sehr movielastige Spielablauf ist sicher nicht jedermanns Sache. Wem Xenogears gefallen hat und endlich mal ein zünftiges Space-RPG im Macross und Gundam-Styling spielen will sei Xenosaga ans Herz gelegt, andere werfen doch lieber ein oder zwei längere Blicke drauf und entscheiden dann über den Kauf. Immerhin scheint der Xenosaga-Reihe das Schicksal von Shenmue erspart zu bleiben, da Episode 1 dank guter Verkäufe in Japan und Amerika in die Budget-Regionen vorgestoßen ist und im Heimatland schon Episode 2 unter dem hoffentlich nichts über die Spielqualität aussagenden Titel Jenseits von Gut und Böse über die Ladentische geht
Fazit : Konsequent durchgestyltes "Prequel" zum PSOne-Klassiker Xenogears mit stimmungsvoller Inszenierung und Kinofilm-Atmosphäre. Der spielbare Bereich von Xenosaga leidet trotz exzessivem Einsatz von Moviesequenzen zum Glück dank sorgfältigem Design und einer spaßigen Battle-Engine nicht allzu sehr, dafür kommen Storyline und Charaktere aufgrund des abrupten Spielendes etwas zu kurz. Wären die Episoden 1 & 2 als ein vollwertiges Spiel erschienen sähe es wohl anders aus, so bleibt Xenosaga nur ein schneller Happen für zwischendurch, der einen aber nicht wirklich satt macht. Spieldauer beträgt runde 40 Stunden.
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