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Mit der Tales-Reihe verbindet mich so etwas wie eine Hassliebe. Zu einem tendieren alle Tales-Spiele ins selbe Gameplay-Schema zu fallen und dabei ständig die gleichen Fehler zu wiederholen, dazu ist die Buttonmasher-lastige Battle-Engine wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Andererseits kann man, wenn man sich mit den Unzulänglichkeiten angefreundet hat, durchaus eine Menge traditionellen Japano-RPG Spaß damit haben. Tales of Symphonia beispielsweise hat mit seinerzeit positiv auf dem GameCube überrascht, es sah gut aus, spielte sich angenehm flott, die Charaktere waren recht interessant und die Engine funktionierte sogar halbwegs ... ergo wurde daraus mein Lieblingsspiel der Serie. Jetzt kam Tales of the Abyss daher, entwickelt vom Symphonia-Team, und wurde in Fankreisen als bestes Spiel der Reihe hochgelobt, Grund genug für mich, mir das Spiel näher anzuschauen.

Auf den ersten Blick sieht man Abyss seine Verwandschaft deutlich an. Die Celshading-Optik aus dem GameCube-Titel ist zwar traditionellen Polygon-Modellen gewichen, der hübsche Anime-Look kommt aber auch so gut rüber und die Grafiker haben solide Arbeit ins Spiel reingesteckt, trotz der mittlerweile betagten PS2-Hardware läuft es stabil bei 30 fps und verdoppelt die Framerate in den Kampfsequenzen sogar auf flüssige 60 Bilder pro Sekunde. Leider wirkt sich der Detailgrad negativ auf die Ladezeiten aus, die durchaus gerne etwas kürzer sein dürften, die Oberwelt wird dazu von schweren Rucklern geplagt und ist manchmal etwas nervig zu durchwandern. Musikalisch ist natürlich wieder Sakuraba-Sound angesagt und ich habe bislang noch nichts gehört, was grob von seiner Norm abweicht, weder schwere Ausfälle noch irgendwelche Überraschungen sind akustisch drin ... mal sehen, ob später kompositorisch noch was besonderes kommt. Erste Sahne ist die englische Synchro, viele Cutscenes sind vertont worden und kommen dank der passenden und engagierten Sprecher gut rüber. Unglücklicherweise hat namco auf die Vertonung der Skits, kleiner Bonus-Gespräche unter den Charakteren, verzichtet so dass diese Sequenzen ohne Ton und mit nicht weiterklickbaren Texten ablaufen, was doch mitunter an den Nerven zehren kann.
In den ersten Spielstunden machen die Dungeons noch keine großen Sprünge, aber es deutet sich jetzt schon an dass ganz wie nach Symphonia später ordentlich was für die Denkmurmel geboten wird und es viele Rätselnüsse zu knacken gibt, die dank der nicht vorhandenen Random Encounter in Ruhe angegangen werden können ... so mag ich es. Apropos Encounter: Die Engine geht ebenfalls den gleichen Weg wie das Vorbild und bringt die eigentlich 2-dimensionalen Tales-Kämpfe recht passabel in ein 3D-Areal unter. Die KI euer Kampfkollegen funktioniert zu Beginn ebenfalls ordentlich, sie reagieren angemessen auf die Gegner und halten sich an eure vorgegebenen Einstellungen, der Schwierigkeitsgrad ist mir noch einen Tacken zu leicht, aber dafür kann man ja die Battles jederzeit per Menü schwerer machen. Zum Glück haben die Entwickler hier die Ladepausen auf ein Minimum beschränkt und den Wechseln zwischen Kampfgebiet und Engine recht flott gemacht, was sich positiv auf die Nerven auswirkt.
Die Charas von Tales of the Abyss wurden in Japan unlängst mit zu den beliebtesten der gesamten Serie gewählt und nach den ersten Spielstunden kann ich schonmal attestieren, dass da durchaus was dran sein mag. Hauptfigur Luke bedient mit Stachelmatte und Amnesie-Vergangenheit zwar einige der ausgelutschtesten RPG-Klischees, hebt sich mit seiner ruppigen und egozentrischen Art aber deutlich vom Rest der Sippschaft ab und deutet viel Raum zur Entwicklung an ... ist auf jeden Fall spannender als wieder mal von Anfang an den abenteuerlustigen Chorknaben zu spielen. Die anderen Charaktere bieten mit ihren Eigenschaften und Hintergründen ähnliches Potential an, dazu sind die Dialoge schön geschliffen und lockern die Storyline mit witzigen Passagen auf, alleine Schwertkämpfer Guy mit seiner Phobie vor dem weiblichen Geschlecht hat jetzt schon für saulustige Szenen gesorgt. Storymäßig versteifen sich die Tales-Spiele gerne mal auf sozialkritische Themen wie Ausgrenzung und Rasissmus, das Thema von Abyss scheint bis dato der Wert des menschlichen Lebens in Krieg wie Frieden zu sein, nicht jedes Spiel traut sich den in RPGs eigentlich alltäglichen Akt des Tötens mal genauer zu betrachten und bewerten. Mag der "moralische Finger" in der Tales-Serie oft etwas zu deutlich und nicht nuanciert genug eingesetzt werden, wie Abyss sich schlägt wird wohl erst der weitere Spielverlauf zeigen.

Nachdem ich jetzt über die erste Kennenlern-Phase hinweg bin sehe ich in Tales of the Abyss genug Sachen, um mich weiterhin bei der Stange zu halten. Bis auf die Ladezeiten sowie die nicht-weiterklickbaren Skits gibt es technisch nichts auszusetzen, die Dungeons werden besser und die Engine ist noch nicht in ihre Einzelteile zerfallen, dazu machen Charas wie Story Hunger auf mehr. Wenn sich Abyss keine groben Schnitzer erlaubt und das vorhandene Potential in Spielspaß umsetzen kann, wird es sich Symphonia auf meinem Tales-Spitzenplatz Konkurrenz machen ...
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