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Review der englischen PAL-Version


von Azazel

 
 

 

Geschichtliches

PlayStation 2-Besitzern mit einem Fünkchen Affinität zur Adventure-Sparte wird vermutlich das 2001 erschienene ICO ein Begriff sein, an dem sich damals wie heute die Geister schieden. „Ein Kunstwerk“, lobten die Einen, „öde Knobelei“, kritisierten die anderen. Das Fantasy-Setting mit seiner verträumten Optik wusste wohl zu begeistern, beim Gameplay jedoch kamen weitgehend nur hartgesottene Rätsel-Fetischisten und Knobel-Freunde zum Zuge, während sich die Action eher am Rande abspielte. Trotz anfänglich guter Kritiken verschwand ICO dann bald gänzlich von der Bildfläche und erst vor etwa 3 Jahren entschied man sich bei Sony für einen Reprint, was die Preise für die Erstausgabe in aberwitzige Höhen schnellen ließ. Als im Herbst 2005 mit dem Release von Shadow of the Colossus der Quasi-Nachfolger in den Startlöchern stand, waren die Erwartungen natürlich groß, zeichneten dafür doch dieselben Designer verantwortlich.
Ob es seinen Vorgänger in Sachen Gameplay überflügeln kann, ob Shadow of the Colossus wirklich kolossal ist und was das Spiel im Allgemeinen auf Lager hat, möchte ich im Folgenden beleuchten.

Die Story – Ein Märchen?

Die Geschichte von Shadow of the Colossus ist in wenigen Worten erzählt. Ihr schlüpft in die Rolle eines Jungen namens Wanda. Im Sattel seines treuen Pferdes Agro und mit dem leblosen Körper eines jungen Mädchens ist er auf der Reise in ein fernes Land, in dem, so erzählt die Legende, Tote wieder ins Reich der Lebenden zurückgeholt werden können. Im atmosphärischen Intro könnt ihr Wandas Reise verfolgen und bekommt hier schon einen kleinen Vorgeschmack auf das, was Euch später im eigentlichen Spiel erwarten wird. Das Gespann überquert eine kilometerlange, hohe Steinbrücke, scheinbar der einzige Weg zum Ziel der Reise. Dort angekommen bettet Wanda die Tote auf einem Altar. Eine Stimme, die aus dem Nichts zu kommen scheint, erklärt ihm nun, er müsse 16 Steingötzen, die den Tempel zu beiden Seiten säumen und deren lebende Manifestationen als Kolosse verstreut über das gesamte Land leben, zerstören. Erst dann könne das Mädchen wieder zum Leben erweckt und somit gerettet werden. Was sich durch die simpel gestrickte Art wie ein Märchen der Gebrüder Grimm anhört, ist tatsächlich die Storyline des großen ICO-Bruders und man möchte meinen, in anderen Games schon komplexere verfolgt zu haben. Aber genau diese Simplizität, wie sie durchweg im gesamten Spielverlauf zum Tragen kommt ist es, die Shadow of the Colossus auszeichnet und die das einzigartige Setting noch unterstreicht.

Minimalismus in Perfektion

Nach dem Intro überlässt euch das Spiel nun die Kontrolle über Wanda und Eure Suche nach den Kolossen beginnt. Gesteuert wird Euer Alter Ego mit dem linken Analogstick, während der rechte zur Justierung der Kamera dient. Die jeweils ausgewählte Waffe wird mit der Quadrattaste benutzt, die Dreieck-Taste lässt euch einen Sprung vollführen. Bisher scheint das Spiel gegenüber anderen Action-Adventures nicht viel anders zu machen. Diese Annahme wird jedoch durch den versuchten Aufruf eines Inventarscreens komplett widerlegt. Wo in Spielen wie Zelda, Secret of Mana etc. ein umfangreiches Inventar zu finden ist, das sich im Spielverlauf mit allerlei nützlichen Gegenständen, Waffen und anderen brauchbaren Items füllt, führt Shadow of the Colossus diesen Aspekt völlig ad absurdum, und stellt euch, allen Traditionen zum Trotz nur zwei Waffen, Schwert sowie Pfeil und Bogen, zur Verfügung. Weder equip-bare Ausrüstung noch Waffenupgrades oder Heiltränke gibt es im Spiel zu finden. Einzig und allein eine zoombare Weltkarte, die euch nach und nach die Standorte der Colossi und Savepoints anzeigt, kann mit dem Start-Button aufgerufen werden. Wer nun völlig verzweifelt den Kopf schütteln und skeptisch die Stirn runzeln will, dem sei gesagt, dass für das außergewöhnliche, minimalistische Spielprinzip auch gar nicht mehr vonnöten ist.

Wanda‘s Suche beginnt

Sobald ihr euch etwas mit der Steuerung vertraut gemacht habt, ruft ihr mit der X-Taste euren treuen Begleiter Agro herbei und schwingt euch mit der Dreieck-Taste in den Sattel. Das Reiten erfolgt wieder mit der X-Taste, wobei einmaliges Drücken das Ross in leichten Trab, mehrmaliges hingegen in schnellen Galopp versetzt. Gesteuert wird wie üblich mit dem linken Analog-Stick. Mit der Kreis-Taste hebt ihr an sonnigen Stellen euer Schwert und funktioniert es so zu einer Art Kompass um, worauf das einfallende Licht reflektiert wird, und euch so, dort wo es sich zu einem Strahl bündelt, den Weg zum nächsten Gegner weist. Sind die ersten Colossi schon nach kurzer zeit ausfindig gemacht, bedarf es bei den späteren viel Reitarbeit und verlangt euch teils auch ausgeprägte Plattforming-Skills ab, was durch die toll designte, frei begehbare Spielwelt aber durchaus in Kauf genommen wird.

Euer Quest nach den Kolossen gestaltet sich vom Prinzip her immer gleich. Alles was ihr tun müsst, ist, den Aufenthaltsort der Riesen zu ermitteln, sie zu finden und zu bezwingen. Nach jedem besiegten Ungetüm könnt ihr speichern und findet euch automatisch wieder im Tempel ein, dem Zentrum des Landes. Von dort beginnt dann die Jagd nach dem nächsten Gegner. Während eurer Suche in dieser riesigen Spielwelt seid ihr komplett auf euch alleine gestellt. Weder kleinere Zwischengegner noch NPCs könnt ihr während der Reise erspähen. Einzig und allein die Fauna gibt sich hin und wieder in Form von Vögeln, Eidechsen und anderem Getier ein kleines Stelldichein. Melancholischer könnte man die Atmosphäre des Spiels kaum einfangen, das Gefühl des Alleinseins, oder besser, des „Auf-sich-allein-gestellt“-Seins kommt hier so sehr zum Ausdruck, wie bei kaum einem anderen Vertreter des Genres.

Groß, größer, kolossal...

Die eigentlichen Stars des Spiels sind jedoch ohne Zweifel die 16 Colossi. Habt ihr nach beschwerlichem Ritt oder längeren Kletterpartien das Areal des jeweiligen Riesen betreten, wird euch dieser in einer atemberaubenden Sequenz präsentiert und hier wird schon die nächste Einzigartigkeit von Shadow of the Colossus deutlich. Nie zuvor in der langen Videospielgeschichte war das Größenverhältnis zweier Spielfiguren so unausgewogen wie hier. Schon die Sequenz beim ersten Koloss lässt euch nur die etwaige Größe erahnen und wenn er dann endlich in seiner imensen Größe vor euch steht stockt euch erst mal der Atem und ihr werdet euch fragen, wie man diesen Giganten aus Holz, Stein, Fleisch, Knochen und Fell überhaupt zu Fall bringen kann. Doch jeder Koloss hat seine ganz individuelle Art, ihn zu bezwingen. Wer hier glaubt, simples Buttongesmashe oder der einfache Beschuss mit Pfeil und Bogen reiche aus, wird nach den ersten Attacken der Riesen eines Besseren belehrt. Hier gilt es durch geschicktes Erklimmen der wandelnden Berge die jeweiligen Schwachpunkte zu erreichen. Diese können mit der zuvor beschriebenen Sonnenstrahl-Methode lokalisiert werden. Während die ersten Kolosse noch recht einfach zu bezwingen sind, bedarf es bei den späteren Gegnern einer immer ausgeklügelteren und komplexeren Angehensweise. So müsst ihr euch auch schon mal euer Pferd oder die unmittelbare Umgebung zu Nutze, sowie durch gezielte Provokation euren Widersacher auf euch aufmerksam machen, um als Sieger aus dem ungleichen Kampf hervorzugehen. Habt ihr einen dieser Schwachpunkte erreicht, genügen meist einige Stöße eures Schwertes um die Energieleiste eures Feindes gen Null anzuzapfen. Natürlich wird so eine Unverfrorenheit nicht einfach geduldet und die Riesen versuchen euch mit aller Gewalt loszuwerden, was durch kräftiges Schütteln und Umherfuchteln geschieht. Hier gilt es, sich gut festzuhalten, jedoch nur solange wie nötig. Eine Anzeige im unteren rechten Bereich gibt darüber Aufschluss, wieviel Kraftreserven euch noch zur Verfügung stehen. Diese verringert sich beim Klettern und Festhalten permanent. Erlischt sie vollends, stürzt Wanda ab und das mühevolle Besteigen der Giganten beginnt von Neuem. Eine weitere Anzeige informiert euch über den Gesundheitszustand eures Recken, der sich mit jedem Sturz und gegnerischen Treffer verschlechtert. Sinkt eure Energie auf Null, heißt es Game Over und ihr habt die Möglichkeit den Koloss aufs Neue zu bezwingen bzw. vom letzten Speicherpunkt aus weiterzumachen.

Um die Kolosse ins richtige Licht zu rücken dient euch die L1-Taste, ähnlich wie in Ocarina of Time, zum fokussieren der Kamera. So habt ihr die Gegner immer im unmittelbaren Blickfeld. Leider wird hier der Winkel sehr steil, sodass ihr teils blindlings durch die Gegend lauft und drohende Abgründe oder Begrenzungen sehr spät bis gar nicht erkennen könnt. Einen sinnvollen Nutzen hat diese Kameraeinstellung somit eher selten, erzeugt jedoch unglaubliche Perspektiven, in denen der Größenunterschied noch deutlicher wird. Habt ihr erstmal einen Koloss bestiegen, wird das folgende Geschehen mittels einer Kameraautomatik eingefangen, der durch die flinken Bewegungen jedoch manchmal die Puste ausgeht und ihr hin und wieder mit Hilfe des rechten Analog-Sticks manuell nachjustieren müsst.

Zauberhafte Spielwelt

Wie bereits erwähnt könnt ihr euch in der Welt von Shadow of the Colossus völlig frei bewegen und die Tatsache, dass ihr die Quest ohne Zeitlimit angehen könnt, verleitet euch vielleicht manchmal zu einem kleinen Ausflug. Und hier muss erwähnt werden, dass selten in einem Spiel die Umgebung so glaubhaft dargestellt wurde wie hier. Grafisch wurde eine kleine Sensation geschaffen. Schon die Suche nach den wandelnden Riesen ist eine wahre Freude. Grüne Ebenen wechseln sich mit dunklen Wäldern ab, Täler und tiefe Schluchten, gesäumt von gigantischen Felsmassiven, die es mancherorts zu erklimmen gilt, unkrautüberwucherte Ruinen, staubtrockene Sanddünen und verdorrtes Ödland. Sonnenstrahlen, die tiefes Dickicht durchdringen und euch manchmal regelrecht blenden. An Abwechslung mangelt es dem Setting wahrlich nicht. Was die Coder hier aus der mittlerweile schon betagen PS2 rausgeholt haben grenzt fast schon an ein kleines Kunstwerk. Der Umstand, dass dieser ganze Zauber auch noch größtenteils ohne störende Ladezeiten auskommt, verstärkt zusätzlich noch den Eindruck einer grenzenlosen Spielewelt. Doch nicht nur das Drumherum weiß zu begeistern. Sowohl Wanda’s und Agro‘s Bewegungsabläufe, als auch die der riesigen Kolosse sind sehr sauber und flüssig animiert und begeistern durch zahlreiche Animationsphasen. Es ist jedesmal eine wahre Augenweide zuzusehen, wie Wanda angestrengt versucht, den Körper eines Giganten zu erklimmen, bei dessen Gegenwehr stolpert, verzweifelt nach Halt sucht, wieder hinfällt, Purzelbäume schlägt, aufsteht und schließlich dessen magischen Schwachpunkt malträtiert.

Leider wird diese opulente Pracht zugunsten der einsinkenden Framerate teuer erkauft, die eigentlich nur selten im Spiel einen wirklich konstanten, akzeptablen Wert erreicht, sodass ihr das Abenteuer überwiegend mit Rucklern in Kauf nehmen müsst. Als positiv zu bewerten ist allerdings, dass ihr im Optionsmenü die Möglichkeit habt, auf den 16:9-Modus sowie auf Progressive Scan umzuschalten, was vor allem Besitzer von LCD-TVs freuen dürfte. Großen Einfluss auf den Spielspaß hat der grafische Malus jedoch kaum, zumal das Suchen und Bezwingen der Colossi dermaßen süchtig macht, dass man unbedingt bis zum Schluss weitermachen möchte. Nicht selten habe ich mich dabei ertappt, wie ich mir gesagt habe, „nur noch einen“, und ehe man sich versah, waren wieder mal 4-5 Kolosse aus dem Weg geräumt.

Was euch musikalisch und soundmäßig in Shadow of the Colossus geboten wird, braucht sich keines falls hinter der großartigen Optik zu verstecken. Während eurer Suche bekommt ihr jedoch selten einzelne Stücke zu hören. Meist ist nur das Säuseln des Windes und Agro’s Hufgeklapper zu hören, was jedoch die melancholische Stimmung noch unterstützt. Habt ihr aber dann einen der Kolosse gefunden, entfesselt dies ein wahres Orchester und die Action wird meist durch dramatische, klassisch angehauchte, teils auch durch eher ruhige Klänge untermalt, während ein Bezwingen tieftraurige Musik mit sich zieht, durch die man fast schon ein klein wenig Schuldgefühle bekommt, ein so großes und mächtiges Wesen in die Knie gezwungen zu haben. Ein großes Dankeschön geht an dieser Stelle an Kow Otani für diesen erstklassigen Score. Die Musik- und Sounduntermalung passt durchweg immer zum aktuellen Geschehen und unterstützt die dichte Atmosphäre dadurch sehr gut.

Fazit: Allzu umfangreich ist Shadow of the Colossus durch seine kurze Spielzeit von 10-15 Stunden wahrlich nicht. Diesen Aspekt haben andere Genrekollegen besser gelöst und gezeigt, dass sie länger an den Bildschirm fesseln können. Mankos, wie die größtenteils verkorkste Kamerasteuerung und die durchweg rucklige Grafik tun dem Spielspaß zwar keinen Abbruch, verbauen dem ICO-Bruder aber entgültig den Platz als Titel in den Eliterängen. Trotzdem ist Shadow of the Colossus durch das außergewöhnliche und frische Gameplay, dem tollen Setting und der dichten, ja fast schon verträumt und schwermütig wirkenden Atmosphäre, eine sehr interessante Alternative zur ordinären Action-Adventure-Bibliothek. Von mir gibt‘s eine ganz klare Kaufempfehlung!

 

 
 

 
Grafik       

Sound      

Spielspaß