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Review der PS2 US-Version


von Greg

 
 

 
  Lange Jahre galt Sakura Wars als der heilige Gral für West-Rollenspieler mit Japano-Faible. Mitte der 90'er für den Saturn ins Leben gerufen, kombinierte die Serie erstmals zwei komplett unterschiedliche Genres zu einer revolutionären Mischung: der Strategie Dating-Sim. Entwickelt im Auftrag von Sega durch die RPG-Spezialisten bei Red Entertainment (Tengai Makyo), begeisterte das originelle Konzept Presse wie Fans gleichermaßen. Trotz des gigantischen Erfolges im fernen Osten liess sich Sega allerdings nie erweichen, die Serie auch im Westen zu veröffentlichen - "zu schräg", lautete das gern-verwendete Totschlag-Argument. Trotz etlicher Versuche, wie beispielweise von den wackeren Leuten bei Working Designs, schaffte es allerdings kein Sakura Wars-Titel über den großen Teich - bis zum Jahr 2010! Dank des unermüdlichen Einsatzes von NIS America wurde mit Sakura Wars: So Long, my Love! für die Wii & PS2 endlich der Bann gebrochen.

Im Original als Sakura Taisen V bekannt, handelt es sich bei So Long, my Love! um den bis dato letzten Haupt-Teil der Serie. Der erschien in Japan eigentlich schon 2005 auf der PS2, hat also bereits satte fünf Jahre auf dem Buckel, da aber Sakura Wars nicht primär auf spektakuläre Grafik setzt, kann man gnädig über das fortgeschrittene Alter hinwegsehen. Da man bei NIS America um den hohen Stellenwert der Serie bei den Japano-Rollenspielern weiss, hat man sich bei der Lokalisation gleich besondere Mühe gegeben. In der üppig-ausgestatteten Pappbox steckt neben Artbooks und Postern das eigentliche Spiel gleich zwei mal drin: einmal als komplett übersetzte Fassung mit englischer Synchro sowie einmal im japanischen Original mit Untertiteln. Darüberhinaus gibt es einen sehr brauchbaren Port der englischen Fassung für die Wii, welcher im Gegensatz zur PS2-Edition sogar in Europa erschien... wegen mangelnder Optionen darf sich nun wirklich niemand Beschweren. Genug Vorabgeplänkel, steigen wir in die Vollen.

Sakura Wars spielt anders als viele der Konsolen-Strategicals weder in einem Fantasy-Reich, noch in der fernen Zukunft und schon gar nicht im zweiten Weltkrieg. Stattdessen befinden wir uns in einer Paralell-Welt, in der blutjunge Anime-Mädels Anfang des 20sten Jahrhunderts mit dampfbetriebenen Riesen-Robotern garstige Dämonen bekämpfen - so weit, so logisch. Als mittlerweile fünfter Teil der Reihe bezieht sich So Long, my Love! natürlich in einem gewissen Maße auf die Stories der Vorgänger, einige der alten Charaktere treten sogar erneut in Erscheinung, dennoch ist die Geschichte unabhängig genug um auf eigenen Beinen zu stehen - wer die alten Games nicht kennt, verpasst auch nichts. Man selbst übernimmt die Rolle von Shinjiro Taiga, einem blutjungen Kadett der japanischen Marine, der nach New York versetzt wird. Dort soll er die Leitung eines kürzlich-einberufenen Sondereinsatzkommandos übernehmen. In New York angekommen stellt sich das Kommando allerdings als eine Revue-Truppe hübscher Mädels heraus, die sich am Broadway mit Theater-Aufführungen Geld verdienen und Nachts auf Dämonenjagd gehen.

Das nicht von Beginn an alles eitel Sonnenschein ist sollte logisch sein, oder etwa nicht? Bevor aus Shinjiro ein stattlicher Mann mit Führungsqualitäten werden kann, muss er sich das Vertrauen seiner Mitstreiterinnen verdienen, indem er sie besser kennenlernt - hier kommt der Dating-Aspekt ins Spiel. Was in Japan als Dating-Sim bekannt ist, könnte man hierzulande als simplifiziertes Grafik-Adventure bezeichnen. Statt Items zu sammeln und Rätsel zu knacken stehen hier nämlich die Dialoge im Mittelpunkt. Aus der Egoperspektive führt ihr auschweifende Gespräche mit den Mädels, wählt an den passenden Stellen Multiple-Choice Antworten aus oder spielt das gelegentliche Minigame. Mit wem ihr redet bestimmt meist der Storyablauf, dennoch ist ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gegeben - während im Hintergrund die Uhr unerbittlich tickt, steht es euch frei durch New York zu flanieren und Konversationen mit den gerade anwesenden Personen anzuleiern.

Auch wenn sich die konstante Laberei für nicht-Kenner des Spiels langweilig anhören mag, ist der Dating-Sim Teil von Sakura Wars erstaunlich gut gelungen. Jedes der Mädels hat eine komplett einzigartige und distinktive Persönlichkeit, so dass man die Leute wirklich kennenlernen und sich in sie hineinversetzen muß, damit man die Konversation aufrecht erhalten kann. Der gemeine Nerd darf natürlich nicht erwarten hier "Training" für Gespräche mit Frauen oder Aufreißtipps zu bekommen, aber es macht echt Laune die eigene Menschenkenntnis auf die Probe zu stellen. Dazu kommt, dass das Drumherum auch passt - Story wie Charaktere sind herrlich-abstrus und schaffen den Spagat zwischen Comedy und Dramatik mit Leichtigkeit, nicht zuletzt wegen der hervorragenden Lokalisation. Schlägt man da die unzähligen Sidequests und Minigames noch obendrauf, schon hat man ein sorgfältig-gebundenes Spielspaßpaket vor sich.

Wie passt in dieses Konstrukt nun der Strategie-Part? Sakura Wars ist inhaltlich in mehrere Kapitel aufgeteilt, die ähnlich wie Episoden einer TV-Serie funktionieren. Während zu Beginn der Folge der "Bösewicht des Tages" seinen ersten Auftritt hat, ist man den Rest des Kapitels über beschäftigt ihn ausfindig zu machen und nebenbei das ganze Dating-Gedöns abzufeiern. Erwartungsgemäß spitzt sich die Lage dann immer weiter zu, bis es zum großen Showdown kommt - Shinjiro und Kollegen hopsen dann in dampfbetriebene Roboter und bekämpfen die fiesen Dämonen an den bekanntesten Warzeichen New Yorks. Spielerisch lassen sich die Kämpfe als rundenbasierte Strategie mit Echtzeit-Elementen bezeichnen, recht ähnlich zu Segas Valkyria Chronicles. Auf einem großen Taktikfeld verteilt gilt es die Gegner mit allerlei Angriffen und Spezialattacken auszuschalten. Hat man erstmal das Kleinvieh erledigt, tritt der große Boss in Erscheinung und wird schließlich Stück für Stück auseinandergenommen - Ende Gelände, ab zum nächsten Kapitel.

Besondere Spieltiefe oder Anspruch haben die Kämpfe an sich nicht, wer mal Strategie-RPGs gespielt hat kommt sofort zurecht und hat selten Mühe, seine Aufgabe zu erledigen. Dies macht Sakura Wars aber durch ziemlich cleveres Missionsdesign wieder wett - jeder Kampf hat seine ganz speziellen Eigenheiten, welche das Gameplay stets frisch halten. Zwar sind die Gefechte immer recht lang, so zwischen einer halben und einer Stunde braucht man schon mindestens, aber die Ermüdungserscheinungen halten sich in Grenzen. Erst gegen Ende des Spieles massieren sich die Kampfeinlagen, dann wird pro Kapitel auch gerne mehrmals duelliert, aber bis dahin ist man eh so in der Story drin dass man manch-überlanges Gefecht verzeiht. Kenner der Serie freuen sich übrigens über neue Gameplay-Elemente wie z.B. die Möglichkeit, seine Roboter Transformers-like in schnittige Kampfflieger zu verwandeln - coole Nummer.

Als Sakura Wars-Neuling hat es mich allerdings doch erstaunt, wie viel Spaß mir das Spiel letztenendes gemacht hat. Klar, als Fan von Grafik-Adventures und Digital Novels Marke Phoenix Wright oder Hotel Dusk hätte ich es ahnen können, speziell auch weil ich mit dem Dating-Aspekt in Thousand Arms und King of Fighters Kyo bereits Kontakt hatte. Natürlich hat Sakura Wars ein sehr, sehr gemächliches Pacing und ohne Toleranz für den abstrusesten Japano-Schwachsinn ist man schnell am Ende der Fahnenstange angelangt, aber wer drauf abfährt bekommt ein (zumindest hierzulande) sehr frisches Spielkonzept aufgetischt.

Es ist echt schade dass wir erst jetzt mit der Serie in Kontakt kommen, vor allem weil Veteranen So Long, my Love! als einen der schwächeren Sakura Wars-Titel bezeichnen. Die PS2- und Wii-Versionen geben sich nicht allzuviel, leider sind beide Varianten nur in 4:3 auf die Disc gepresst worden, sehen aber auch auf 16:9 gestreckt ganz passabel aus und sind somit auch auf Flachbildschirmen gut spielbar. Ich persönlich habe das Spiel mit japanischer Sprachausgabe durchgezockt, welche erwartungsgemäß qualitativ top und passend zum Rest des Geschehens ist, aber auch die englische Synchro ist sehr gelungen und steht dem Original in Nichts nach. Als eine meiner letzten Aufgaben als GameOne TV-Redakteur war es mir ein persönliches Anliegen, Sakura Wars dem deutschen Publikum im passend-abstrusen Batshit Insanity Japano Gedöns-Beitrag näher zu bringen. Vielleicht hat das ja den gewünschten Effekt gehabt und Sakura Wars hat genug Exemplare verkauft, um die Lokalisationen der älteren Teile möglich zu machen... ich bezweifle es zwar, aber ich habe getan was ich machen konnte. :)

  Fazit : Herrlich frischer Mix aus Grafik-Adventure mit dem Schwerpunkt "Frauen" und rundenbasiertem Strategie-Gedöns. Sakura Wars ist eines meiner Highlights 2010 und sollte bei keinem Fan von Spielen mit extensivem Japano-Flair fehlen - die haben ein echt leckeres Stück Software vor sich. Im Umkehrschluß sollten Gamer ohne große Abstrusitäts-Toleranz und Faible für ellenlange Gespräche mit Anime-Figuren aber auch gewarnt fühlen, macht euch erst Schlau was Sakura Wars für ein Spiel ist, bevor ihr den Sprung wagt.
 

 
 

 
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