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Fällt in Videogamekreisen der Name ICO, spaltet sich die Gamer-Fraktion in mehrere Lager, könnten die Meinungen zum 2001 erschienenen Knobel-Adventure doch unterschiedlicher kaum sein. Zelda-verwöhnte Gameplay-Puristen beklagen die simplen Kistenverschiebe- und Schalterrätsel, während Grafik-Feinschmecker mit Hang zur Kunst und Melancholie mit dem sinnlich-verträumten Setting liebäugeln. Allen Pros und Contras zum Trotz, ICO hatte seine Chance, verschwand jedoch aufgrund der eher verhaltenen Resonanz beim Release kurz danach aus den Augen und dem Sinn der Community. Erst 2005 wurde es mit einem Reprint zum Start von Shadow of the Colossus neu aufgelegt. Ein Grund zur Freude?
Verbannung
Ico ist ein Junge mit Hörnern. Und genau jene werden ihm an seinem 12. Geburtstag zum Verhängnis. Gemäß den Traditionen bringt jedes mit Hörnern geborene Kind großes Unheil über sein Heimatdorf. Aus diesem Grund schaffen ihn vermummte Reiter in ein weit entferntes Gemäuer, wo man ihn opfern will. Eingeschlossen in eine Kapsel kann sich Ico jedoch vor seinem Schicksal retten, indem er diese zu Fall bringt und sich befreit.
Ab diesem Zeitpunkt übernehmt ihr die Kontrolle über unseren gehörnten Freund. Auffallend gleich zu Beginn des Spiels ist, dass keinerlei Anzeigen, wie Munitionsvorrat oder Energieleiste den Bildschirm trüben, ein kleiner Teil der außergewöhnlichen Inszenierung, aber dazu später mehr. Wie gewöhnlich steuert ihr die Hauptfigur mit dem linken Analogstick und der rechte gewährt euch auf Bedarf einen Blick nach links oder rechts. Einen Sprung vollführt ihr mit dem Dreieck-Button, während der Kreis-Knopf zum Bedienen von Schaltern, Entzünden von Fackeln u. Ä. dient. Mehr braucht ihr zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beherrschen, denn das eigentliche, interessante Gameplay-Element kommt erst ein wenig später zum Tragen.
Hand in Hand
In einer traumartigen Sequenz kurz vor Beginn erblickt Ico ein schattenhaftes Wesen, ein Mädchen, gefangen in einem Käfig. Kurzentschlossen entschließt sich Ico, seine Leidensgenossin zu befreien, um mit ihr zu fliehen. Da unser Held und das Mädchen nicht ein und dieselbe Sprache sprechen, versuchen sie mittels Gesten und Lauten miteinander zu kommunizieren. Hier kommt die R1-Taste ins Spiel, mit deren Hilfe ihr nach Yorda, so der Name des Mädchens, rufen oder sie bei der Hand nehmen könnt. Ab hier gilt es, euch gemeinsam mit Yorda einen Weg aus der Burg zu bahnen. Dieser ist jedoch alles andere als einfach. Türen wollen geöffnet, Schalter betätigt und Mauern erklommen werden.
Aufgrund der Tatsache, dass dem Spieler mit der Flucht aus der Burg nur ein Setting präsentiert wird, kann ICO im Prinzip als ein großes Dungeon betrachtet werden. Wo in anderen Vertretern dieser Art zahlreiche ausladende Verliese mit diversen, örtlichen Beschaffenheiten auf den Spieler warten, wird man in ICO auf eine Odyssee von unterschiedlichen Verschiebe-, Schalter- und Kletterrätsel geschickt. Kopfnüsse gibt es zu genüge. So ist der Lösungsansatz nicht immer in der momentan befindlichen Umgebung erkennbar, sondern es kann auch schon mal vorkommen, dass man Schalter oder Mechanismen in weiter Ferne erreichen muss, um seinem Ziel näher zu kommen. Und da Freundin Yorda außer Leitern klettern nur kleinere Simse überwinden kann, müsst ihr der Holden den Großteil des Spiels dabei helfen, Abgründe zu überwinden oder sie per ausgeklügelten Apparaturen zum gewünschten Zielort zu transportieren um so die nächste magische Barriere, die nur Yorda öffnen kann, zu erreichen. Scheint an manchen Stellen überhaupt nichts voran zu gehen, helfen womöglich herumliegende Bomben, euch via Sprengung Zugang zum nächsten Raum zu verschaffen oder Wege zu ebnen. Magische Steinbänke lassen euch euren Spielstand sichern. Diese sind allerdings sehr hoch frequentiert, was den Schwierigkeitsgrad von ICO drastisch abschwächt.
Was eure Begleiterin zu diesem Zeitpunkt für eine Rolle spielt, bleibt erst mal im Dunkeln. Fest steht jedoch, dass böse Schattenkreaturen, beauftragt von einer düsteren Königin, ihr von Zeit zu Zeit nach dem Leben trachten. Habt ihr einen nächsten Abschnitt erreicht oder ein bestimmtes Rätsel gelöst, krabbeln diese Biester aus einem schwarzen Loch, versuchen euch Yorda zu entreißen und sie mit ins Dunkel zu holen. Ausgerüstet mit einem Stück Holz drescht ihr mittels der Quadrat-Taste auf die Gegnerschar ein und versucht eurerseits, Yorda aus deren teuflischen Fängen zu befreien. Seit ihr hier nicht schnell genug und Yorda wird ins Schattenreich entführt, heißt es Game Over und ihr beginnt das Spiel vom letzten Speicherpunkt oder vom zuletzt erreichten Abschnitt auf’s Neue. Diese ist eine von zwei Möglichkeiten, das Spiel unfreiwillig zu beenden. Verfehlt ihr einen Sprung und Ico stürzt aus großer Höhe ab, bedeutet dies ebenfalls den Tod.
Kunst oder nicht
Unter Kenner und Liebhabern gilt ICO ja schon lange als unumstrittenes Kunstwerk, das sich mit keinem anderen Game seiner Art vergleichen lässt. Und in der Tat, atmosphärisch wird man von Beginn an unweigerlich in den Bann gezogen. Stilistisch ist ICO vergleichbar mit dem Kunststil früherer Epochen und lässt euch während dem Spielen auch dank der sehr guten Soundkulisse und seinem ganz eigenen Erzählrythmus in einen Sog von großen Gefühlen abtauchen. Die Bande, die Yorda und Ico verbindet ist mit der Art zu kommunizieren glaubhaft und sehr gefühlvoll erzählt und es bedarf eigentlich keiner Worte, um zu verstehen was beide denken oder empfinden. Über den Großteil des Spiels sind hauptsächlich nur Ambientgeräusche wie das Fließen von Wasser, das Wehen des Windes sowie Ico’s und Yorda’s Stimmen zu erlauschen. Musik wird spärlich und meist nur bei Cutscenes eingespielt. Grafisch macht ICO jedoch eine eher zwiespältige Figur. Die beiden Hauptfiguren sowie deren schattenhafte Gegenspieler sind ohne Zweifel großartig animiert und zahlreiche Effekte, wie etwa Wasserspiegelungen oder Lichteinfall sind toll in Szene gesetzt. Realitätsgetreue Architektur, grüne Wiesen in Innenhöfen, kleine Seen und opulente Hallen mit aufwendigen Verzierungen tun ihr Übriges, um ein stimmiges Setting zu zaubern. Ein erhebliches Manko sind aber die durchweg groben und verwaschenen Texturen, die einen unweigerlich an [...*hust*...] seelige 64-Bit Modul-Eskapaden erinnern. Als kleine Entschädigung kann ICO aber, zu damaliger Zeit nicht unbedingt selbstverständlich, mit einem 60Hz-Modus glänzen und lässt euch aus 5 verschiedenen Textsprachen wählen.
Wem das Glück zuteil wurde, abseits von schmucklosen US- und Reprintversionen, eine der PAL-Erstausgaben zu ergattern, erhält neben dem hübsch bebilderten Pappschuber noch 4 Sammelkarten mit Szenen und Artworks aus dem Spiel. Feine Sache!
Fazit : Eines gleich vorweg: Ich mag ICO sehr gerne. Über kurz oder lang haben sich die beiden richtig in mein Herz gespielt. Leider kränkelt das Abenteuer an seiner sehr kurzen Spielzeit. Wer sich beeilt, erblickt das Ende in etwa 5-7 Stunden. Grafische Schwächen werden durch die sauberen Animationen und dem allgemein sehr stimmigen Setting geschickt kompensiert. Alles in allem macht ICO durchaus Spaß, wenn einige Rätsel auch teils simpel gestrickt sind und sehr früh beginnen, sich zu wiederholen. Seine Klasse bezieht ICO aus ganz anderen Elementen, wie seiner enorm dichten Atmosphäre, seinem verhaltenen Spielrythmus und der emotionalen Story, die euch, trotz mangelnder Wendungen spätestens beim Abspann zu Tränen rühren wird.
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