|
Über die Geschichte der Dragon Quest-Serie zu schreiben ist mittlerweile eher müßig, die wichtigen Punkte sind eh jedem Rollenspiel-Fan ins Gehirn gemeißelt worden: Dragon Quest löste in den 80'ern den Japano-RPG Boom aus, verkauft in der Heimat stets mehr Exemplare als die vergleichbare Final Fantasy-Episode und darf nicht an Arbeitstagen veröffentlicht werden, da die Japaner ansonsten kollektiv Arbeit & Schule schwänzen ... alles Schnee von gestern. Seitdem sich Squaresoft und Enix vor ein paar Jahren jedoch zum riesigen RPG-Konglomerat zusammenschlossen brachte dies auch für den Urvater des Genres ein paar Neuerungen mit sich. Dragon Quest VII, in Japan absoluter Rekordhalter unter den PSOne-Spielen, hatte sich in der US-Version extrem schlecht verkauft. Das war auch nicht weiter verwunderlich, denn dank absoluter Gurken-Optik und wenig Publicity ging der Titel an der grafikverwöhnten Final Fantasy-Klientel komplett vorbei und sprach nur den kleinen Hardcore-RPG'ler Kern an.
Zeit was zu ändern, dachte sich der Vorstand von Square Enix und konzipierte Dragon Quest VIII im Hinblick auf die weltweite Kundschaft und nicht nur den heimischen Markt. Zu diesem Zweck wurden die Dark Cloud-Macher von Level 5 mit an Bord geholt, die die neue PS2-Episode der Reihe im Verbund mit dem DQ-Stammteam um Yuji Horii entwickeln und dem Spiel den notwendigen grafischen "Pfiff" geben sollten. Der Release in Japan im Winter 2004 ging wie immer von statten, Rekorde wurden gebrochen und die Warteschlangen drehten sich mehrmals um die Gameshops, dort war also alles im Lot. Damit die nun folgende Veröffentlichung in den Staaten nicht daneben geht kümmerte sich Yuji Horii selbstpersönlich um die Lokalisation und liess zusätzlich noch diverse Schmankerl einbauen, welche den westlichen Gamern das Spiel extra versüßen sollten, darunter optisch überarbeitete Menüs, eine aufwendige Synchro sowie ein komplett neu eingespielter Soundtrack. Als es am 15 November 2005 dann endlich soweit war und das Spiel erstmals unter dem korrekten Namen und nicht dem bis dato üblichen Dragon Warrior-Ausweichtitel veröffentlicht wurde, liess sich Square Enix wahrlich nicht lumpen. Die Marketing-Maschine lief dank diverser TV-Spots und Zeitschriften-Anzeigen auf vollen Touren, als letzter Verkaufanreiz wurde dem Spiel sogar ein schmucker Pappschuber und eine spielbare Demo des kommenden Final Fantasy XII beigelegt. Die Rechnung ging auf: Zwar noch weit von den üblichen FF-Zahlen weg, brachte Square Enix in Amerika beinahe eine halbe Million Exemplare an den Mann. Noch besser sah es in Europa aus, wo das Spiel im April 2006 einfach nur als Dragon Quest auf den Markt kam und sich sogar öfters verkaufte, so dass erstmals ein DQ-Titel über die Millionengrenze im Westen schoß ... das Franchise war somit weltweit etabliert. Wenden wir uns an dieser Stelle aber endlich mal dem Spiel selber.
Trotz der angesprochenen Upgrades bleibt Dragon Quest spielerisch gesehen auch im achten Teil seinen Wurzeln treu und kommt fast schon wie ein Nostalgie-Trip daher. Ihr schlüpft in die Rolle einer namenlosen Palastwache, die mit ansehen musste, wie der bösartige Hofnarr Dhoulmagus das Schloß Trodain bei einem Überfall verwüstete und dazu noch fast alle Bewohner zu Stein erstarren liess. Mit dem König und der Prinzessin von Trodain im Schlepptau, beide von einem Fluch belegt und nun als Troll respektive Pferd unterwegs, macht ihr euch auf die Jagd nach Dhoulmagus und bereist im Zuge dessen die gesamte Welt. Der Ablauf des Ganzen hält für den Kenner des Genres kaum Überraschungen bereit: Die Storyline wird durch kleine Subquests, die sich oft auf nahe beieinander liegende Locations beziehen vorangetrieben, auf der Worldmap sowie den Dungeons wird in massig Zufallsbegegnungen rundenbasiert gekämpft und Sonderaufgaben lockern euren Alltag gelegentlich auf ... im Grunde also Japano-RPG pur. Was für einen Mangel an Gameplay-Innovation Dragon Quest VIII aber nun immer an den Tag legen mag, das Resultat der jahrzehnte-langen Erfahrung der Entwickler ist ein schön flüssiges Spiele-Erlebnis, welches einen schnell in seinen Bann zieht und dazu von Neulingen leicht erlernt werden kann. Manchmal kann auch der ausgetretenste Pfad immer noch am besten sein, und wenn er wie hier ohne gröbere Fehler und dazu noch in einer deartig-leckeren Verpackung daherkommt, kann man ihn ungewöhnlichen Titeln wie Valkyrie Profile oder Digital Devil Saga durchaus mal vorziehen. Die einzigen Punkte wo sich die Nostalgie-Welle negativ auf die Spielbarkeit auswirkt ist das Festhalten an ein paar antiquierten Mechaniken, die langatmige Speicherprozedur in der Kirche nervt schnell und die Itemverwaltung ist unnötig anstrengend, aber dies kratzt nur leicht am insgesamt sauberen Lack des Spieles. Doch genug vom der spielerischen Seite, wenden wir uns zum wahren Star von Dragon Quest VIII, der Präsentation.
Wer als erstes mit Teil 7 Kontakt mit der Dragon Quest-Serie gehabt wird, wird beim Achter kaum seinen Augen trauen. Wo früher mal krude Bitmap-Figuren über häßliche Polygon-Landschaften gezuckelt sind, wird nun ein wahres Anime-Feuerwerk abgebrannt. Level 5, die sich mit Dark Chronicle schon als Grafik-Spezialisten bewiesen haben, zaubern eine derart wahnsinnig hübsche und farbenfrohe Celshading-Optik aus der PS2, dass jedem 2D-Festischisten die Tränen in die Augen schiessen. Erstmals wurde der typische Toriyama-Look adäquat in einem Videogame umgesetzt, DQ8 wirkt dadurch wie ein spielbarer Anime, bei dem das Zuschauen beinahe schon so viel Spaß macht wie das Zocken selbst. Dazu kommt der akribische Detailgrad mit dem ans Werk gegangen wurde, Städte sehen aus als ob dort wirklich Leute wohnen, Dungeons haben ihren Namen endlich mal verdient und die Oberwelt strotzt nur so vor Sehenswürdigkeiten. Apropos Oberwelt: Eine derart weitläufige und abwechslungsreiche Weltkarte gab es bislang noch in keinem Spiel, wer nicht direkt den vorgegebenen Pfaden folgt kann sich stundenlang auf Sightseeing-Tour begeben und entdeckt immer wieder was Neues dabei, ist allein für sich genommen schon ein Sauspaß und einer der herausragendsten Aspekte des Spieles. Leute mit 16:9-TVs freuen sich auf einen ordentlich implementierten Widescreen-Modus der den positiven optischen Eindruck nur noch verstärkt, technische Probleme gibt es nur bei gelegentlich auftretenden Rucklern und Tearing, welche die ansonsten feste Framerate von 30 fps ab und an stören.
Wo die Grafik begeistert, steht auch die Soundkulisse nicht weit hintenan. Den orchestrierten Soundtrack in der US-Version zu verwenden war eine brilliante Idee, ich mag zwar den typischen MIDI-Sound des Japano-Originals auch recht gerne, aber das Spiel bekommt durch die echten Instrumente einen Schuß mehr an Atmosphäre und Tragweite verliehen. Der klassische Stil von Komponist Sugiyama bietet sich einfach für ein Orchester an, und auch wenn die verwendete Aufnahme hier und da etwas mehr "Schmackes" vertragen könnte, gibt es wenig dran zu mäkeln. Von den Kompositionen her liess sich Sugiyama übrigens auf keine Experimente ein, die typischen Melodien und Soundeffekte der Serie sind wieder mal dabei und werden von passendem, neuen Material unterstützt, aber was anderes konnte man auch nicht erwarten und solange es sich so gut anhört wie hier, habe ich auch nichts dagegen. Die Musik in allen Ehren, aber was mich letztendlich auch in diesem Bereich die Maximal-Wertung zücken lässt, ist die unglaublich-geniale Sprachausgabe. Wie im Intro erwähnt von Horii exklusiv für die westlichen Versionen in Aufrag gegeben, wurden alle wichtigen Sequenzen neu vertont und dabei durchwegs passend mit motivierten Sprechern besetzt, die allesamt in diversen britischen Dialekten reden. Zusammen mit den cleveren Dialogen und dem überaus charmanten Charakterdesign haben wir hier die wohl beste Videogame-Synchro seit dem altehrwürdigen Snatcher vor uns, die den cinematischen Eindruck von Dragon Quest VIII noch weiter verstärkt und gequält-vorgetragene Schinken Marke Xenosaga locker im Staub liegen lässt.
Was gibt es sonst noch Interessantes zu berichten? Das Jobsystem aus dem Vorgänger ist komplett rausgeflogen und wurde durch ein Skillsystem ersetzt, mit dem ihr einen gewissen Grad an Freiheit bei der Entwicklung euer Charaktere habt. Beim Level-Up dürfen Punkte auf verschiedene Fertigkeiten verteilt werden so dass man besser im Umgang mit verschiedenen Waffen wird, mit der Natur in Einklang kommt oder gar Monster mit dem eigenen Sexappeal in den Bann zieht. Jeder Chara hat dabei andere Talente und obwohl es bestimmte "Richtungen" gibt, die sich mehr lohnen als andere, kann man sich so gut wie garnicht in eine Sackgasse manövrieren und hat immer eine brauchbare Party, dazu bleibt viel Raum zum Experimentieren für spätere Durchläufe. Eine andere Sache die mir gefiel ist der anspruchsvolle Schwierigkeitsgrad, Fallobst kommt einem nur selten vor die Flinte und auch normale Gegner verlangen einem taktisches Geschick und sorgsame Planung ab. Besonders die Bosse werden im Verlauf des Spieles immer gemeiner und hebeln konsequent eure Status-Boni und Power-Ups aus, zusammen mit den nicht vorhandenen Saveplätzen vor großen Kämpfen wird dadurch ordentlich Spannung aufgebaut. "Zu schwer" oder gar nervtötend wird das Spiel aber keinesfalls, eher nimmt dieser Umstand notorischen X-Drückern den Wind aus den Segeln und lässt einen kaum in Monotonie verfallen. Für faule Naturen wurden übrigens diverse KI-Modi zum automatischen Kampfablauf eingebaut, die aber nur kurzfristig entlasten und kräftig an euren HP- und MP-Reserven zerren.
Abschließend betrachtet kann ich vor den Leuten bei Square Enix eigentlich nur den Hut ziehen. Dragon Quest VIII fühlt sich wie jenes Spiel an, auf das Yuji Horii & co. quasi seit Beginn ihrer Karriere hingearbeitet haben, das Gameplay wurde über die Jahre hinweg geschliffen und verfeinert, auf der PS2 gab es jetzt dann eben auch endlich die nötige Power, um die audiovisuelle Seite passend umzusetzen. Selten war eine Rollenspiel-Welt so "greifbar" wie hier und bot dabei so viel zu entdecken, wer sich in das spaßige Fantasy-Szenario fallen lässt hat spielemäßig auf Monate ausgesorgt. Nüchtern betrachtet wird für Gameplay-Festischten natürlich wenig neues geboten, so ziemlich alles was wir zu sehen bekommen wurde auf die eine oder andere Weise schonmal verwurstet und man ärgert sich öfters über kleinere Nickligkeiten wie dem Interface, dafür werden aber in Sachen Präsentation und auch Integration neue Maßstäbe gesetzt und dies hebelt die negativen Punkte locker aus. Leute mit Kindern haben zudem mit DQ VIII das perfekte Game, welches sie mit ihren Sprößlingen zusammen spielen können, es quasi ein digitales Märchen und hält mit über 80 Stunden Spieldauer länger bei der Stange als ein ganzer Stapel Disney-DVDs.
Fazit : "COR BLIMEY!" Dragon Quest VIII ist wohl so kindgerecht wie kaum ein anderes Rollenspiel zuvor, aber selbst als alter Videogame-Knochen kann ich mich dessen Charme nicht entziehen. Das Gameplay mag zugegebenermaßen nicht mehr das frischeste sein, dafür machen die perfekte Anime-Präsentation sowie das herausragende Welten-, Story- und Chara-Design alles wieder wett, dazu kommt die bis dato beste US-Lokalisation aller Zeiten. Es ist interessant mit anzuschauen wie sich der große Konkurrent Final Fantasy inhaltlich und spielerisch immer weiter vom Ursprung des Genres entfernt, während Dragon Quest voll auf Tradition setzt und damit einen Volltreffer landet. Kaufen! Jetzt!
|
|