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Die in Japan äußerst erfolgreiche Dragon Quest Serie fristete im Westen immer ein Nischendasein: Während Europa ganz unbeachtet blieb, erschienen gerade einmal die ersten vier Episoden als "Dragon Warrior" für das amerikanische NES, und konnten dort aufgrund der langen Übersetzungszeiten geringe Erfolge erzielen und kontinuierlich fallende Verkaufszahlen verbuchen. Mit ein Grund, warum die amerikanische Niederlassung von Enix geschlossen werden musste und somit ein halbwegs fertiges Dragon Warrior V und der darauffolgende sechste Teil nie Japan verlassen haben. Mit Dragon Warrior VII erschien dann nach einer zehnjährigen westlichen Abstinenz wieder eine neue Episode der Rollenspielreihe in Amerika, und sorgte, wenn schon nicht für berauschende Verkaufszahlen (abgesehen von den unglaublichen 4 Millionen Exemplaren in Japan), wenigstens für schlaflose Nächte vorm Fernseher.
Die Geschichte des siebten Teils beginnt für ein Rollenspiel eher ungewöhnlich: Es ist alles in Ordnung! Es gibt keine Gefahren, keine Monster, und die ganze Welt ist friedlich. Das ist auch so gesehen kein Problem, den die ganze Welt besteht aus einer kleinen Insel mit einem Dorf, einer Stadt, einem alten Kauz der mit Tieren spricht und mysteriösen alten Ruinen, die einer jungen Heldentruppe ganz schön zum Verhängnis werden. Der Spieler schlüpft in die Rolle des namenslosen Helden, der mit seinen Freunden -- dem Prinz Kiefer und Maribel, der Tochter eines reichen Fischers -- bei einer seiner täglichen Erkundungstouren der erwähnten Ruinen eine unglaubliche Entdeckung macht: Es gibt noch mehr auf dieser Welt. Vor unzähligen Jahren hat der Demon Lord Orgodemir sämtliche Regionen und Inseln dem Untergang geweiht und sie von der Außenwelt abgeschottet. Mit Hilfe von Zeitportalen, die sich durch bestimmte Tonscherben aktivieren lassen, reist die Heldentruppe in bester Chrono Trigger Manier (sogar die Zeitreiseanimation ist diesselbe) in die Vergangenheit, um den dort auferlegten Flüchen des Demon Lord ein Ende zu bereiten, und die Welt wieder so herzustellen, wie sie einst war.
Auf der technischen Seite ist Dragon Warrior VII eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers. Unglücklicherweise sind zwischen den beiden Episoden gute 5 Jahre und beinahe eine ganze Konsolengeneration dazwischen, entsprechend altbacken wirkt das ganze. Städte und Dungeons werden in einer Xenogears-ähnlichen Perspektive präsentiert: Animierte Bitmap-Sprites bewegen sich in manchmal mehr, manchmal weniger frei rotierbaren Polygonwelten. Während die Dungeons vor allem in späteren Abschnitten durchaus als ansehnlich durchgehen (es kann natürlich auch sein, dass man sich nach zig Stunden Spielzeit einfach daran gewöhnt hat), können die Charaktersprites überhaupt nicht überzeugen: Das einzige, dass es zu sehen gibt sind ein paar Bewegungsanimationsschritte für acht Richtungen, die bei falschen Betrachtungswinkeln oft sehr unpassend und wie Fremdkörper wirken. Ebenso unverständlich ist das Beibehalten der "Gehen-beim-Stehen"-Animationen. Charaktere bewegen sich immer, sollte diese Animation einmal unterbrochen sein, merkt der Spieler nur, dass ein Dialog stattfindet. Emotionen werden, wenn überhaupt, durch schnelles hin-und-her Wedeln des Sprites (steht für Aufregung) oder eines aufblinkenden Rufzeichens dargestellt. Ebenso veraltet ist die Weltkartengrafik, die eine simple 2D Landschaft, ähnlich wie in manchen Super Famicom Spielen, darstellt, auf der sich die gleichen Charaktersprites bewegen.
Als I-Tüpfelchen der schlechten Grafik reihen sich die FMVs ein, die im Spielverlauf gottseidank weniger häufig vorkommen und miese Computeranimationen zeigen, die man zu Final Fantasy VII Zeiten schon weitaus besser gesehen hat. Besser hingegen sind schon die Kampfbildschirme, die in First Person Sicht liebevoll animierte 2D Monster auf hübsch gestalteten Hintergründen zeigen, und sogar ziemlich effektvoll sein können.
Der große Vorteil, der hinter der eher kargen Präsentation steckt, ist der Wegfall von Ladezeiten. Alles spielt sich flüssig und ohne Unterbrechungen. Kämpfe beginnen schnell und enden wieder schnell, was angesichts der hohen Encounterrate auch dringend notwendig ist. Denn gekämpft wird in Dragon Warrior VII viel, und auch mit Leidenschaft: Grund dafür ist das komplexe und vielschichtige Job System, welches nach einem Comeback im sechsten Teil noch einmal eine gehörige Aktualisierung erfahren hat. Nach gut 15-20h Spielzeit (also ca. einem Sechstel) wird der Shrine of Dharma freigeschalten, ein Ort, andem eure Charaktere eine von verschiedenen Klassen annehmend und beliebig ändern können. Durch eine Reihe von Kämpfen steigt man in seiner gewählten Klasse auf und lernt zum Job passende Fähigkeiten und Zaubersprüche, bis man sie schlußendlich auf Stufe 8 "gemastert" hat. Hat man gewisse Klassen gemastert, lassen sich so die fortgeschrittenen Jobs freischalten, mit denen sich wiederum die Oberliga der Klassen freischalten lässt, unter anderem auch die ultimative Heldenklasse. Dieses System erlaubt eine sehr freie Gestaltung der Charaktere und erlaubt eine ungeheure Kombinationsvielfalt. Die Tatsache, dass mit dem Sammeln gewisser Monsterherzen neben den Basisjobs auch Monsterklassen freigeschalten werden können, mit denen die Anzahl an zu masternden Jobs auf über 50 anwächst.
Die nötigen Zufallskämpfe werden wie erwähnt in der ersten Person und rundenbasiert ausgetragen. Auch wenn das System so als das klassischste aller RPG-Kampfsystem gelten mag, so haben die Entwickler es wirklich perfekt ausbalanciert. Jedes Monster hat bestimmte Stärken und Schwächen, und eine Reihe von Fähigkeiten, die der Spieler durch das Job-System ebenfalls erlernen kann. So gesehen kochen die Monster auch nur mit Wasser, und können euch mit euren eigenen Waffen schlagen. Allerdings sind die Gegner so auch auf besondere Skills eher anfällig. So gibt es Bosse, die sich durch einen einfachen Giftatem in ein paar Runden erledigen lassen, die allerdings ohne diesen Skill ganz schön zähe Brocken sind. Übrigens ist der Schwierigkeitsgrad dabei ziemlich hoch, nicht nur die Bosse haben es in sich, sondern auch die normalen Gegner, die man so auf seinen Reisen trifft. Ohne längere (Klassen)-Level Runden wird man oft nicht weiter kommen.
Zusätzlich bietet Dragon Warrior VII noch eine Vielzahl an Minispielen und Sidequests: Allen voran das bekannte und beliebte Casino. Neben einarmigen Banditen und Pokertischen kann man diesmal auch am "Lucky Panel" um seltene Items spielen. Weiters bekommt man die Aufgabe, einem alten Einsiedler, der auf den kuriosen Namen Sim hört, beim Aufbau einer Immigrantenstadt zu helfen. Während des Spiels findet man eine Reihe von NPCs, die ein neues Leben anfangen wollen, und die ihr so in Sims kleines Nest schicken könnt. Nach und nach wächst die Stadt, und kann je nachdem, welchen Typ von NPC in die Stadt geschickt habt eine andere, finale Form annehmen. Vom großen Slum mit den besten Casinopreisen bis zur riesigen Kathedrale ist alles möglich. Nebenbei könnt ihr helfen, mit dem Monsterpark den ersten Zoo der Dragon Quest Welt zu errichten. Diese Minispiele und zwei umfangreiche und besonders schwere Bonusdungeons können motivierte Spieler so bis über 200 Stunden vor den Schirm fesseln.
Auch wenn 200 Stunden Spielzeit durchaus keine Seltenheit sind, werden schnelle Spieler wohl in 80 Stunden durch sein. Spieler, die gerne erkunden und bereits erforschte Bereiche für neue Entdeckungen wieder besuchen wollen, werden gut 120-150 Stunden für einen normalen Durchgang benötigen. Denn zu Erforschen gibt es einiges. Überall warten versteckte Items, Monster und Geheimnisse. Und auch, wenn dieser Forscherdrang eine der größten Stärken des Spiels ist, so kann er gleichzeitig den Eindruck bei einigen Spielern trüben: Denn wer nicht den Dialog mit den NPCs sucht, oder in Büchern nach alten Aufzeichnungen fahndet, wird nie das volle Ausmaß der Geschichte mitbekommen. Gerade die Rahmenhandlung, in der vom Kampf von Orgodemir und Gott die Rede ist, und die die Hintergrundgeschichte von Estard, der einzigen Insel, die nicht vom Fluch des Demon Lords heimgesucht wurde, behandelt, wird eher stiefmütterlich behandelt. Ebenso bekommen die Charaktere, die sich dem Helden in der Party anschließen nur voll zum Zuge, wenn man mittels "Party Talk" Feature mit ihnen ins Gespräch kommt und so Kommentare zu den jeweiligen Situationen einholt. Schade, denn in der detailliert ausgearbeiteten Spielwelt steckt enormes Potential, das leider etwas verschenkt wurde. Weiters ist es bei einem Rollenspiel diesen Umfangs unverzeihlich, die Welt mit derartig wenigen Musikstücken zu untermalen, auch wenn Sugiyamas Soundtrack bisweilen zu seinen besten zählt.
Die Übersetzung ist durchaus gelungen. Auch wenn etliche Stellen ziemlich fehlerhaft sind, ist das bei der enormen Länge des Skripts allerdings nicht weiter verwunderlich. Es ist zumindest nicht so, dass man den Dialogen nicht folgen könnte, oder der Dragon Quest typische Humor verloren gehen würde. Etwas gewöhnungsbedürftig sind hingegen die aus technischen Gründen auf ca. 10 Zeichen reduzierten Namen der Monster, Zaubersprüche und Items.
Fazit : Dragon Warrior VII ist eine Bewährungsprobe für Rollenspieler: Wer sich nicht von der armseligen Präsentation zurückschrecken lässt findet sich in einem unglaublich umfangreichen Spiel mit einer ebenso umfangreichen Spielwelt wieder, die es zu erkunden und zu erforschen gilt. Das Gameplay ist seltsam süchtigmachend, und der episodenartige Aufbau der Storyline weiß ebenso zu gefallen, auch wenn man ruhig etwas mehr Augenmerk auf den Ausbau der Rahmengeschichte hätte legen können. Auch hätte man ein paar Füller-Episoden durchaus streichen oder optional machen können, um so die Spielzeit der Haupthandlung etwas zu straffen. Wer allerdings mit der altbackenen Grafik zurechtkommt, einen eher dialogreichen Erzählstil der Geschichte und längere Level-Up Runden nicht scheut, wird mit einem ebenso vielschichtigen wie motivierenden Gameplay und einer humorvollen Story belohnt, und hat eine umfangreiche, detailliert ausgearbeitete und lebendig wirkende Spieltwelt vor sich, die nur darauf wartet, von einem entdeckt zu werden.
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