[Beitrag bezieht sich auf eine vorangegangene "Diskussion" im Smalltalk]
Kain, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir entsprechende Studien mal verlinken (oder sonst wie verfügbarmachen) kannst; scheinst diese ja zu besitzen. Ich finde es generell schwierig, zu diesem ganzen Thema, denn wenn man nach Begriffen wie "Männerbenachteiligung" googlet, landet man nur zu leicht auf unseriös anmutende Seiten von frustrierten Männern, die zu Rundumschlägen ausholen; auf der anderen Seite fand ich mich zuletzt auf einem Emma-Forum wieder (wo ich mir, aufgrund meiner krankhaften Neugierde, viel zu lange irgendwelche Diskussionen durchlesen mußte), was in etwa genau so schlimm war. Ich lasse mich in irrigen Faktenlagen ja gerne korrigieren.
Trotz allem: Man bleibe nicht in der irrigen Annahme, nur weil Frauen seltener für Delikt X verurteilt würden, würden sie es auch seltener (oder zumindest derart seltener) begehen. Das Gegenteil kann man genau so beweisen, aber daß Polizisten, Richter, etc. da keinen
bias aufweisen würden, finde ich schwierig zu glauben; bei gewissen Delikten (häusliche Gewalt, Vergewaltigung, etc.) kann ich mir durchaus vorstellen, daß man dem Mann schlicht mehr Brutalität zutraut (auch wenn ich das nicht
beweisen kann - mir geht's in erster Linie darum, diese Möglichkeit überhaupt zu diskutieren und uns, philosophisch, zu fragen, ob das nicht so sein
könnte) - und wenn das staatliche Organe nicht tun, dann doch zumindest die Medien (Strauss-Kahn? Kachelmann?).
Ich fasse mal zusammen, was meine Punkte in dem Ganzen sind:
1. Es hat für mich keinen Sinn, Unrecht zu priorisieren und gegeneinander aufzuwiegen; das müssen vielleicht Finanzministerien machen, wenn sie Fördergelder verteilen, aber nicht wir, die ethische Standpunkte debattieren. Zum einen würde das ansonsten bedeuten, daß wir fast nichts mehr anklagen dürfen, denn den hungernden Kindern in Somalien geht's ja nur noch schlimmer. Zum anderen ist das genau im Geschlechterdiskurs absolut verkehrt, denn die Benachteiligung von Männern hat
genau dieselbe Ursache wie die von Frauen: Leute werden aufgrund ihres Geschlechts in eine Rolle gedrängt, die sie übernehmen sollen, egal ob diese für sie paßt oder nicht. Wir weisen einfach dem Phänomen
Geschlecht viel mehr Erklärungsmacht zu als ihm zustände.
2. Ich bin durchaus nicht der Ansicht, daß Fälle von Benachteiligung von Männern selten sind, oder daß "niemand diese bezweifeln" (bzw. eher: kleinreden) würde. Angefangen von absurden religiösen Ritualen wie Beschneidung (wo sich wenigstens langsam etwas Widerstand regt) bis zu all den Ansprüchen, die ständig, immer und überall, an Männer gelegt werden, sich auch wie solche zu verhalten (wo wir heute den Frauen doch viel mehr zugestehen, über die klassischen Geschlechterrollen hinauszugehen), zu Erwartungen, wie z.B. Männer hätten "stark" zu sein (wenn es was zu schleppen gibt, werde ich auch automatisch angeschaut, dabei sind die meisten Frauen stärker als ich, fun fact); das sind vielleicht keine Lohnunterschiede, aber irgendwie ist es für mich auch ein bescheuertes Weltbild, wenn man Unrecht immer nur an Monetärem festmachen will. Und entgegen der Behauptung, dieses Problem hätten die Männer sich selbst geschaffen, bin ich durchaus der Meinung (die ich schwerlich belegen kann), daß Frauen (sprich: Mütter, Erzieherinnen, Freundinnen, Ehefrauen) genau diese Ansprüche und Rollenbilder mindestens genau so zementieren wie Männer [beschweren sich nicht viele heterosexuelle Männer heute darüber, sie könnten den Ansprüchen der Frauen nicht gerecht werden? Einfühlsam sollen sie sein, aber "kein Softie", etc.] Im Übrigen auch so wie die jahrhundertelange Unterdrückung der Frauen niemals ohne zumindest die Duldung von - ihr Schicksal akzeptiert habender - Frauen hätte passieren können.
3. Ich bin durchaus der Ansicht, daß wir generell ein schlechtes Bild vom "Männlichen" (was auch immer dieser diffuse Begriff noch bedeuten soll) haben.
Hier ist ein guter Artikel, der die Geschichte dieses Bildes nachzeichnet und auch z.B. darlegt, wie dieses Bild zeitgleich mit der verstärkten Unterdrückung der Frauen aufkam. Was wieder darauf hinweist, daß Feminismus und Maskilismus eigentlich demselben dienen sollten; einer vorurteilsfreien Gesellschaft, in der das Geschlecht keine Rolle spielt.
4. Von der ganzen Quotenpolitik fang ich lieber erst gar nicht an zu regeln. Für mich nimmt das alles teilweise Ausmaße an, die ich nur noch absurd finde. So löblich das Ziel sein mag, die Mittel sind oft einfach nur absurd. In vielen Stellen gibt es einfach nicht genügend weibliche Bewerber. Und überhaupt, was soll zB "bei gleicher Qualifikation" bedeuten, was man in so vielen Bewerbungen liest? Das öffnet doch nur der Willkür Tür und Tor, da jeder selbst definieren kann, wann gleiche Eignung vorliegt (was es de facto nie tut).
Too much said; wie gesagt, geht es mir nicht darum, Unrecht gegeneinander aufzuwiegen, sondern darum, daß wir ursächlich nicht einfach ein Frauenproblem, sondern ein Problem mit der normativen Kraft des Geschlechts haben, die stets herangezogen wird, daß das in beide Richtungen verläuft (wenn auch vllt. nicht in derselben Gewichtung, falls man sowas überhaupt objektiv eruieren kann) und daß es gemeinsame Lösungsstrategien für das alles geben sollte.
Und:
Zitat:
und: diese kategorien werden nich in normative verwandelt. das sind sie bereits.
Mißversteh mich nicht absichtlich; gemeint war natürlich, daß
wir diese Kategorien nicht normativ weiterverwenden sollten. "Das sind sie bereits" ist ja wieder eine deskriptive Ebene. Ich hätte auch vom Sein-Sollen-Fehlschluß sprechen können.