RPG-Maker Quartier

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Gnu-Hirte
Gnu-Hirte
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 Betreff des Beitrags: IdWafeg
BeitragVerfasst: So Mai 18, 2008 20:56 
.....IdWafeg

.....An diesem wichtigen Tag habe ich wieder verschlafen. Den Wecker zwar ausgemacht, sich aber noch ein Minutchen gegönnt und schon waren wie im Fluge zwei dreiste Stunden verpennt. Tja. Das hieß dann wohl, mal wieder ohne Frühstück. Ähm, Sachen packen? Keine Zeit. Das Nötigste würde sich in meiner Tasche schon finden, so wie sie da lag. Der Hit des Morgens: während ich mir, mit der Zahnbürste im Munde, die Schnursenkel zuband, blickte das liebliche Geschöpf namens Mutter verträumt aus dem Zimmer und fragte mich aller Ernstes, ob ich denn alles mitgenommen hätte. Und das anstatt mich früher zu wecken. Na wunderbar.
.....Obwohl ich mich eigentlich beeilt habe, kam ich sonderbarer Weise erst zur großen Pause in der Schule an. Ach ja! Habe ich etwa vergessen mich vorzustellen?
.....Ich heiße Gregor und ich bin ein Schüler der gymnasialen Oberstufe. Wie wichtig das auch klingt, muss ich doch gestehen, dass meine schulische Leistung in letzter Zeit eher dürftig ausfiel. Versteht mich nicht falsch, ich habe mir ja Mühe gegeben! Es half aber nicht viel. Meine Eltern behaupten, ich hätte das falsche Profil gewählt und wäre mehr humanitär als naturwissenschaftlich begabt. Manche Mitschüler meinen aber, es liege an unserer Klasse. Denn wir haben so einige wahre Genies unter uns zu verzeichnen. Da ist es doch nur verständlich, dass so manch Anderer nicht vollkommen reibungslos mithalten kann.
.....Unsere Klasse ist okay. Die Meisten verstehen sich gut und es gibt, wie fantastisch das auch sein mag, wirklich ein schräg geklebtes Gebilde, das entfernt an eine Klassengemeinschaft erinnert. Außerdem weist bei uns die Fraktion des lustigen Geschlechts einpaar richtig scharfe Kurven auf. Unglücklicherweise fast alle schon vergeben. Na ja, Nettsein ist ja trotzdem nicht verboten. Denn ich rede für mein Leben gerne. Habe so eine menschliche Seite an mir. Öfters erzähle ich zwar nur wirres Zeug, oder überhaupt ganz offensichtliche Sachen, was mir böse Zungen bestimmt hinterrücks nachsagen, aber das stört mich nicht weiter. Ich bin nämlich sonst fast überall willkommen. In der Fußballmannschaft ganz vorne im Sturm, im Pausentuscheln sozusagen direkt an der Pulsader. Vor allem aber, bin ich dafür bekannt, dass ich immer eine Schulter frei habe, wenn es jemanden hart erwischt. Denn ich kann nicht nur gut reden, sondern auch zuhören. Ist das nicht toll?
.....An dem Tag war genau diese meine Stärke besonders gefragt. Denn als ich in der Schule ankam, wusste ich sofort, etwas war schief gelaufen. Die Schülerherde wurde zur Pause wie gewohnt aus den Klassen getrieben. Alle Begrüßungsrituale gingen reibungslos vom Stapel und auf den ersten Blick schien es auch jedem Einzelnen so richtig prächtig zu gehen. Aber es hing etwas in der Luft. Ihr wisst schon, dieses ungute Gefühl, wenn man einpaar verwirrte Blicke aufschnappt. Unser Torwart, Max, kam auf mich zu und meinte
.....– Du kommst ja früh, Gregor. Du solltest vielleicht am Zaun vorbeischauen, es wird dich bestimmt interessieren. – er wollte gleich weiterziehen, aber ich hielt ihn zurück
.....– Hey, Max, was ist passiert?
.....– Ich kenne keine Details, Mann. Ich weiß nur, dass Anna heult. Warum auch immer.
.....– Meinst du etwa die Anna?!
.....– Jap. Genau DIE Anna meine ich. – Er rückte seine Augenbrauen zusammen, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen.
.....Anna. Dieses Mädchen ist der Star unserer Klasse. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der lebendiger und geselliger wäre als sie. Immer gut gelaunt und mit einem netten Lächeln ausgestattet, läuft sie durch die Welt, stets darauf bedacht, einem verträumten Passanten einen witzigen Streich zu spielen. Wenn du drauf reinfällst, bist du selber schuld. Aber dafür bekommst du die Gelegenheit, in diesem Augenblick mit ihr zusammen im Rampenlicht zu stehen. Und das macht alle Peinlichkeiten wieder gut, denn Anna ist nun mal das, was man „übelst sexy“ zu nennen pflegt. Zusätzlich hat Anna das unbeschreibbare Glück gehabt, bei einer steinreichen Familie zur Welt gekommen zu sein. Niemand weiß, was ihre Eltern beruflich machen, aber sie verreisen oft und sind manchmal wochenlang nicht da. Da Anna an diesen Tagen nun mal unbegrenzt über die Gemächer verfügt, veranstaltet sie kultige Spielabende, oder Saufpartys, wie man es lieber nennen möchte. Da geht jeder gerne hin.
.....Bei all ihren Aktivitäten scheint Anna jedoch noch nie etwas für die Schule getan zu haben. Ich habe ja schon ein Mal den signifikanten Anteil an Genies in unserer Klasse angesprochen und bei Anna wären wir da glaube ich genau richtig. Statt zu lernen, hilft sie lieber anderen den Stoff nachzuholen. Man setzt sich gerne mit ihr hin, auch wenn man gerade nicht unbedingt auf dem Schlauch steht. Zu dumm, dass sie so etwas viel zu schnell durchschaut. Mit Lach und Krach wird man dann gebeten, demjenigen Platz zu machen, wer ihre Hilfe wirklich benötigt. Die meisten, die jemals auf der Kippe standen, haben nur ihr zu verdanken, dass sie nicht längst schon sitzen geblieben sind. Also wie man es auch dreht und wendet, das Mädchen ist einfach nur perfekt. Dass sie einmal heulen würde, und das auch noch in der Schule, direkt vor unseren Augen, ist immer vollkommen undenkbar gewesen. Aber an diesem Tag passierte das Undenkbare anscheinend doch. Egal wer oder was sie dazu gebracht hat, eines stand sicher fest, sie hatte es auf keinen Fall verdient.
.....Ich drängte mich durch die Menschenmenge im Forum, ging hinaus auf den Schulhof und machte mich auf den Weg zum Zaun. Dies war eine Ortschaft am entlegensten Ende des Schulhofes, wo es wortwörtlich einen Zaun zu finden gab. Nämlich den, der um das gesamte Schulgelände verlief. Natürlich gab es hier fast überall Zäune, da die Anstalt schließlich Schule hieß, aber die besondere Bezeichnung verdiente nur diese kleine Ecke. Am Zaun traf man sich für gewöhnlich um eben schnell mal eine zu rauchen, oder um sich einfach vor der Gesamtherde zu drücken und vor allem vor den Hirten, die wohl zu faul waren, sich über den ganzen Schulhof zu schleppen, nur um herauszufinden was wir da trieben.
.....Ich ging also rüber und konnte vom Weiten schon sehen, dass sich heute ungewöhnlich viele Menschen auf einmal am Zaun versammelt hatten. Vorwiegend Mädchen aus unserer Klasse. Als ich näher kam, stellten sich einpaar von ihnen mir, wie eine Grenzstreife, in den Weg. Das war aber eher ein Reflex, aufhalten wollte mich niemand. Schon im nächsten Augenblick war ich in die gaffende Runde mit aufgenommen. Hier war jedes Gesicht verwirrt, traurig und voll von Mitgefühl. Die Blicke streiften unsicher umher, doch kamen immer zu an eine bestimmte Stelle zurück, um ein Bruchteil einer Sekunde später wieder von dort zu fliehen. Da saß Anna. Sie saß an den Zaun gelehnt auf dem Boden und weinte. An ihrer Seite waren ihre besten Freundinnen versammelt, die versuchten ihr etwas Beruhigendes zuzuwispern.
.....Wie oft habt ihr schon einen weinenden Menschen gesehen? Oder viel eher, wie oft habt ihr gesehen wie ein Mädchen weint? Anna vergrub ihr Gesicht nicht etwa in ihren Händen. Sie atmete schwer, saß aber aufrecht, den Kopf etwas zur Seite gedreht. Irgendwo auf dem Boden suchten ihre Augen verzweifelt nach Halt, doch konnten keinen finden. Das süße Gesicht blass, mit roten Wangen, über die ihre Tränen zu den zitternden Lippen herunterrollten. Ab und zu schluchzte sie leise, eine bebende Welle durchlief ihren Körper und ihre Hände, ineinander gegriffen, waren bestrebt sich gegenseitig die Finger zu brechen. Ein wirklich grausamer Anblick war das. Vor allem wenn man bedenkt, dass es Anna war, die da saß. Von bloßem Zusehen wurde mir unerträglich bitter zumute. Und ihr ging es wohl noch tausend Mal schlimmer. Ich wollte helfen. Ich spürte wieder diesen unbeschreibbaren Drang, die Qualen zu beenden. Jeder Augenblick, der in Angesicht dieses Leidens verging, schnitt mir scharf über die Seele. Ich setzte mich ganz nah ran, zu ihren Freundinnen. Es wäre dumm etwas zu fragen, also saß ich einfach da und versuchte ihren Blick zu fangen. Sie sollte wissen, dass sie nicht allein ist. Je mehr Leute sie unterstützten, desto besser. Miriam, die neben mir saß, bemerkte meine Anwesenheit und flüsterte mir zu
.....– ...Das ist alles wegen diesem Arschloch! – sie schaute mich erzürnt an – Sie hat ihn gefragt und er hat sie eiskalt abserviert.
.....Sie hat jemanden etwas gefragt? Abserviert? Das machte nur ganz wage einen Sinn. Die Nachbarin an der anderen Seite merkte, dass ich nicht ganz verstand und fügte hinzu
.....– Martin war heute kurz in der Schule.
.....Martin ist in der Schule gewesen? Das kam wirklich nur sehr selten vor. Der Typ war noch eins von diesen Wunderkindern unserer Klasse. Er brauchte nicht zur Schule zu gehen. Denn etwa einen neuen Lernstoff könnte ihm diese sowieso nicht mehr bieten. Dafür hatten sogar die Lehrer Verständnis. Also kam er nur zu Klausuren, oder wenn er sich mal langweilte...
.....WAS?! Der Gedanke erwischte mich direkt am Hinterkopf. Anna hatte Martin DARUM gefragt? Diesen überheblichen Protz, der immer nur mit einer steincoolen Mine da saß und sich nicht dazu herabließ ein Wort mit uns zu teilen, wenn er mal da war? Das war unfassbar. Die Vorstellung erschien völlig realitätsfremd. Was hatte sie denn überhaupt an ihm gefunden? Und dieser Penner hatte es doch tatsächlich gewagt, ihren Vorschlag abzulehnen. Ja, ihre Bitte abzulehnen! Denn so wie ich ihn kenne, könnte sie gar nicht anders an ihn herangetreten sein.
.....Diese Gedanken brachten mich innerlich zum Rasen. Im ersten Augenblick wollte ich den Typen am liebsten verprügeln. Was dachte sich dieser Martin eigentlich, wer er überhaupt war? Das beste Mädchen der Welt zeigte Interesse an ihm und er konnte sich nichts Besseres einfallen lassen, als sie abzuwürgen?! Das war nicht nur unglaublich gemein, sondern auch noch aus jeder Hinsicht und in höchstem Maße dumm. Aber dumm war er doch nicht. Auf keinen Fall. Beim besten Willen und in größter Verachtung konnte man das leider nicht von ihm behaupten. Also warum? Warum gegen sich selbst handeln und anderen so viel Leid zufügen? Ich kam einfach nicht drauf. Das Ganze konnte gar nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Da war irgendwas faul! Es musste sich wohl um ein Missverständnis handeln. Wenn Martin doch nur hier wäre und man mit ihm reden könnte. Ich wollte wetten, dass sich alles wirklich als ein banal dummes Missverständnis entpuppt hätte. Und Anna müsste nicht mehr weinen. Verdammt! Könnte, hätte, würde. Das waren alles nur Gedanken. Bloße Gedanken konnten nichts verändern, sie halfen Anna kein Stück. Jemand musste handeln. Und wenn bis jetzt noch niemand etwas getan hatte, dann sollte ich dieser Jemand sein.
.....Überraschend für mich selbst streckte ich meinen Arm aus und nahm Annas Hand aus dem Griff der anderen. Sie zuckte vor Schreck und richtete ihre weit offenen Augen auf mich. Ich fühlte einen verwirrenden Druck, da überhaupt alle Blicke nun schockiert auf mich gerichtet waren. Aber der erste Schritt war getan und ich konnte nicht mehr zurück. Ich musste schleunigst etwas sagen, solange ich ihre Aufmerksamkeit noch hatte
.....– ...Anna, ich rede mit ihm. Das ist bestimmt alles nur ein Missverständnis... Ich finde ihn und rede mit ihm...
.....Ein vorwurfsvolles Murmeln ging durch die Runde. Anna riss ihre Augen noch weiter auf und hielt meine Hand mit zittrigen Fingern fest. Sie wollte mich aufhalten. Was ich vor hatte, machte ihr Angst. Das war verständlich.
.....– Mach dir keine Gedanken, ich werde nichts Falsches sagen. – ich versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen – Ich will nur mit ihm reden. Er wird schon von selbst zurückkommen. Es kann doch nur besser werden, nicht wahr?
.....Sie starrte mich einen Moment lang unsicher an. Dann nickte sie langsam und lockerte ihren Griff. Ich stand auf, drehte mich um und ging wie benebelt, an den Leuten vorbei, über den Schulhof zurück. Wie ein Geist durchquerte ich das Forum und schritt aus der Schule hinaus. Erst nach dem ich eine Weile gegangen bin, setzte ich mich an die Straßenseite, um das gerade Erlebte zu verarbeiten.
.....Es war nicht das erste Mal, dass ich in einer solchen Situation so etwas Kribbelndes unternahm, also hatte ich die nun aufgekommene Stumpfheit schon beinahe erwartet. Immer wenn etwas Außergewöhnliches passiert, spielt der Kopf verrückt, habt ihr das mal bemerkt? Ich saß also einpaar Minuten einfach da und dachte mal an gar nichts. Es war Frühling und die Vögel zwitscherten in den von Knospen befallenen Bäumen. Der Arbeitstag in den Büros war im vollen Gange, also war die Straße ganz ruhig und nichts störte den Vogelgesang. Allmählich ordneten sich die Gedanken in meinem Kopf wieder und ich konnte mir meine nächsten Schritte überlegen. Es sah ganz danach aus, als würde ich heute die Schule ganz schwänzen müssen. Ich konnte es mir zwar nicht wirklich leisten, aber es gab schließlich weit wichtigere Dinge zu erledigen.
.....Die Fakten waren einigermaßen klar. Die Absicht lautete nun, Martin zu finden. Doch erst jetzt kam mir der Gedanke, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, wo ich nach ihm überhaupt suchen sollte. Martin ist immer ein Einzelgänger gewesen, unsere schräge Klassengemeinschaft ging ihn nie etwas an. Keiner wusste wo er wohnte. Noch nicht einmal seine Telefonnummer war bekannt. Beim besten Willen fiel mir keine Person ein, die mir eine Auskunft über ihn geben könnte. Das Einzige, was ich mir ausdenken konnte, war es, im Schulsekretariat nach den Daten meines Mitschülers zu fragen, oder gar in einem Telefonbuch nach seinem Namen zu suchen. In der Schule würden sie mir wahrscheinlich nicht helfen wollen, ihr wisst schon, Datenschutz heißt das, und ich konnte an dem Tag aus rein moralischen Gründen ehe nicht mehr in die Schule zurückehren, ohne erst mit Martin gesprochen zu haben. Die Suche in einem Telefonbuch konnte ich mir auch getrost ersparen. Warum, fragt ihr? Na ja, das lag an Martins Nachnamen. Er hieß Müller. Damit war ich also so ziemlich das, was man „aufgeschmissen“ nennt.
.....Über meine eigene komische Lage spöttisch erheitert, schlenderte ich wieder die Straße entlang. Ganz viel vor haben, große Worte spucken und schließlich Einsehen, dass die Absicht überhaupt nicht realisierbar ist – das hörte sich wirklich ganz nach mir an. Ob sich Anna deswegen umsonst Hoffnungen machte? Unwahrscheinlich. Sie wünschte sich wohl insgeheim, dass ich Martin gar nicht erst finden sollte. Oder, was bestimmt noch viel eher zutraf, sie wusste, dass ich nicht in der Lage war ihn zu finden! Natürlich! Was ich erst so spät einsehen musste, konnte sie sich fast sofort erschließen. Nur deswegen ließ sie mich gehen. Und überhaupt, anstatt zu helfen, habe ich ihr nur noch eine Sorge mehr bereitet. Na das habe ich ja mal wieder ganz toll hingekriegt.
.....Von solchen Gedanken gehänselt, trugen mich meine Beine unbewusst in eine vertraute Gegend. Ich kam zu der Baustelle bei uns in der Nähe. Vor langer Zeit wurde hier ein Hochhaus aufgestellt, doch die Arbeiten wurden nie zu Ende geführt. Natürlich war das Gelände abgeriegelt, aber wir hatten schon als Kinder unsere Schlupflöcher ins Gebäude gefunden. Jede zukünftige Wohnung stand hier weit offen, da es noch keine Türen gab. Und das Beste war, dass auf jedem Balkon noch keine Absperrung aufgebaut wurde. Es waren also nur kleine Plattformen, an deren Kanten es sofort steil in die Tiefe ging. So konnte man sich im zehnten Stockwerk auf der Balkonplattform hinsetzen und ungehindert fast die ganze Stadt überblicken. Ob es um den Sonnenaufgang, oder den Sonnenuntergang ging, man wechselte einfach die Wohnung, in der man war, und schon hatte man den perfekten Ausblick. Es ist ein gefährlicher Spielplatz gewesen und es war immer strengstens Verboten sich hier aufzuhalten, aber wir haben es natürlich trotzdem getan und es hatte noch nie einen Unfall gegeben. In unserem Ungehorsam waren wir nämlich trotzdem vernünftige Kinder gewesen.
.....Als ich das Gebäude sah, wusste ich sofort, ich wollte mich am liebsten im zehnten Stockwerk auf die Balkonplattform setzen. Nichts wäre entspannender gewesen. Es würde mich auf andere Gedanken bringen. Ich stieg also über die Abriegelung und ging in das Haus hinein. Da es natürlich keinen Fahrstuhl in dem unfertigen Gebäude gab, hatte man keine andere Wahl, als das Treppenhaus zu benutzen. Es ist stets eine sportliche Leistung gewesen, ohne Pause in den zehnten Stock hinaufzulaufen. Diesbezüglich hatten wir früher sogar Wettbewerbe veranstaltet. Rekorde wurden aufgestellt und gebrochen. Ich lag eigentlich immer ziemlich gut in der Zeit. Als sich dann fast alle aus unserer Clique in den selben Fußballverein einschreiben ließen, war der Trainer über unsere herausragende Kondition in größter Verwunderung.
.....Das waren meine Gedanken, als ich nun die Treppen hoch lief. Ich dachte an unsere Kindheit. Man konnte jetzt schon wirklich sagen, dass sie fast vorbei war. In einem Monat fingen die letzten Examen an und danach würde jeder seinen eigenen Weg gehen. Manch einer würde studieren, der andere vielleicht für ein Jahr ins Ausland gehen. Ein neuer, spannender Lebensabschnitt stand vor den Türen und ich sehnte mich nach ihm, aber ich wusste auch, dass ich die alten Zeiten unbedingt vermissen werde.
.....Im zehnten Stock angekommen, bemerkte ich zufrieden, dass ich überhaupt nicht aus der Puste war. Ich ging in die erste Wohnung hinein und dort auf den Balkon. Eine frische Briese schlug mir ins Gesicht und wuschelte die Haare auf. Ich schaute die Stadt an und sie schaute zurück. Kennt ihr das Gefühl der Freiheit, wenn man aus so großer Höhe auf die winzigen Häuser der Stadt herunter blickt? Die ganze Welt erscheint auf einmal so klein und unkompliziert. Hinzu kommt der nervenkitzelnde Wind, sodass man sich selbst förmlich als einen griechischen Gott auf dem Olymp vorstellt. Nur eines machte immer etwas Sorge. Der Mensch sehnt sich nach der Erde. Berauschende Höhen sind nicht seine Sphäre. Ich erwischte mich öfters bei dem leisen Verlangen, einen Schritt nach Vorne zu tun und sich zur lieblichen Erde wieder hinabzustürzen. In diesen Momenten habe ich mich stets vorsichtig zurückziehen müssen.
.....Ich drehte mich um, um mich an der Wand hinzusetzen und sprang vor Schreck fast von der Plattform. Rechts von der Balkontür saß bereits jemand. Er schaute mich ruhig an. Es war Martin
.....– Hallo Gregor. – sagte er – Ich habe dich erwartet. Bitte, setz dich.
.....Mit einer kleinen Handbewegung wies er zur Wand links von der Balkontür. Ich war so überrascht und geschockt ihn zu sehen, dass ich ihn wie benebelt anstarrte und dann ohne Widerrede gehorchte und mich dort hin setzte. So saßen wir da, links und rechts, zwischen uns die Balkontür und keiner sagte erst ein Wort. Martin hatte schon wieder seine ach so coole und gelassene Mine mit müdem Blick und ruhigem Lächeln aufgesetzt. Ich war aber zu verwirrt um mich über seine Überheblichkeit aufzuregen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich Martin an dem Tag noch treffen würde. Er war aber, ob ich es glauben wollte oder nicht, definitiv hier, direkt vor mir. Vielleicht konnte mein Vorhaben ja doch noch realisiert werden. Endlich sagte Martin etwas, ohne mich dabei anzuschauen
.....– Du wolltest mit mir reden?
.....Ich stutzte
.....– ...Woher weißt du das?
.....– Jare, jare... – er schaute nach unten und schüttelte leicht den Kopf – Sagen wir einfach, ein Vöglein hat’s mir zugezwitschert...
.....– Und woher wusstest du, wo ich sein werde?
.....– Hältst du es denn nicht für möglich, dass man von selbst auf diese Dinge kommen könnte? Dass ausgerechnet du, der Herzenssanitäter der Klasse, mich suchen wirst? Und dass du, unfähig mich zu finden, hierher, zu eurem Lieblingsplatz, zurückkommen wirst? Ist doch ganz einfach.
.....Irgendwo hatte er recht. Es war nicht wirklich schwer meine Schritte zu berechnen, wenn man mich nur gut genug kannte. Das machte aber trotzdem noch nicht viel Sinn
.....– Dass du hier bist, bedeutet, dass du von mir gefunden werden wolltest?
.....– Scharf erkannt. – er schmunzelte spöttisch, holte sein Handy raus und fing an etwas einzutippen – Das hat aber seine Gründe. Los, sag mir endlich, was genau du von mir wissen willst. Ich habe leider nicht den ganzen Tag für dich Zeit.
.....Er hatte sich extra in den zehnten Stock geschleppt um mir zu begegnen und meinte jetzt er hätte keine Zeit? Seine Wichtigtuerei hat es doch wieder geschafft mich aufzuregen. Das hatte aber auch etwas Gutes an sich, da meine Verwirrung damit nachließ. Ich ahnte, dass aus dem Gespräch womöglich nichts werden würde. Wie würde er reagieren, wenn ich mich einfach so in seine Angelegenheiten einmische? Er hat mich aber selbst gefunden, also fragte ich ihn
.....– Sag mir Martin, findest du Anna wirklich auch nur im Geringsten unattraktiv?
.....Er warf mir aus der Schräge einen scharfen Blick zu, schaute dann konzentriert auf den Boden und lehnte seinen Kopf anschließend nach hinten gegen die Wand
.....– Aah, so ka... – er packte sein Handy wieder weg und fragte – Muss das... wirklich sein?
.....Ich hielt meinen ernsten Blick auf ihm. Vielleicht würde er ja reden.
.....– Ksaa... – er ließ seinen Kopf wieder zur Brust fallen – Ich schätze, du meinst es ernst, nicht wahr? Dann kann ich ja mal ganz ehrlich sein... Weißt du, mit den Mädchen ist es so’ne Sache. Ich glaube fast, dass ich zu viele Ansprüche stelle. Deswegen ist es nur höchst unwahrscheinlich, dass ein Mädchen, das diesen Ansprüchen genügen würde, überhaupt existiert.
.....Bingo! Da kam was. Jetzt musste man ihn nur noch etwas mehr herauslocken
.....– Was soll das heißen? Willst du sagen, dass Anna dir nicht gut genug ist?!
.....– Okay, fangen wir von ganz Vorne an. Ich zähle dir die Eigenschaften auf, die ein Mädchen meiner Meinung nach aufweisen muss. Alles der Reihe nach, ja?
.....– Schieß los.
.....– Also zum einen, bin ich unglaublich oberflächlich. Was soll ich machen? Ich bin es nun mal. Also kann ich nicht anders, als es zu berücksichtigen... Sie muss schön sein. Verstehst du? Und nicht nur einfach schön, sondern... Du weißt schon. Wie gemalt.
.....– Ja, genau das verstehe ich unter Oberflächlichkeit. Und Anna ist schön.
.....– Ja, das stimmt. Da gebe ich dir Recht. Kommen wir zum nächsten Punkt. Das ist das Innere... Du musst wissen, es gibt nichts was ich mehr verachte als Dummheit. Du kennst doch bestimmt diese Rinder, etwa bei uns auf der Schule. Sie unterhalten sich weniger in Worten als eher in tierischen Lauten und ihr Hauptargument ist immer Gewalt. Das ist jetzt nur ein Extrema, um es dir zu verdeutlichen. Was ich damit sagen will, ist... Das Mädchen muss klug und interessant sein. Nein, ich verlange nicht nach einer Marilyn vos Savant. Aber man sollte mit ihr zum Beispiel durchaus ein Bisschen in Rätseln sprechen können, ohne dass man ihr jedes Wort davon erklären müsste. Als das aller Mindeste soll man mit ihr über etwas reden können, was das Thema „Wetter“ vom Niveau her übersteigt.
.....– Anna ist klug.
.....– Ja, das ist sie. Keine Frage... Dritte Anforderung. Sie muss mich... zumindest mögen. Von einer Liebe kann aus bekannten Gründen ja kaum die Rede sein, nicht wahr?
.....– Du sagst es. – wenn dieser Tollpatsch nur wüsste, was er Anna antat – Sie hat dich aber gefragt, soweit ich weiß, also erfüllt sie auch diese Anforderung.
.....Dazu sagte Martin erst mal nichts. Er schaute nur vor sich hin, auf die winzig wirkenden Häuser der Stadt und schien etwas zu überlegen. Von dem was ich bis jetzt gehört hatte wurde ich nicht Schlau. Diese Gedanken waren etwas, wie soll ich sagen, etwas naiv. Oder machte er sich nur über mich lustig? Er seufzte tief und sprach langsam weiter
.....– Der letzte Anspruch ist der wichtigste... Sie muss ein gutes Herz haben. Das heißt, sie muss die Menschen lieben. Sich immer über ihre Gefühle im Klaren sein. Sie darf aus reinster Überzeugung unter keinen Umständen zulassen, dass sie jemandem etwa aus bloßem Spaß, Versehen, oder gar Eigennützigkeit Schaden zufügt. Ohne sehr wichtiger Gründe, dürfen sich die Menschen nicht gegenseitig verletzen. Und es gibt beinahe keine Gründe, die es rechtfertigen würden. Ja. Bis zur Naivität gerecht muss sie sein. Zu allen... Erst dann hat sie mich...
.....Er schloss die Augen und sagte nichts mehr.
.....Sollte das ein Witz sein?! Es hörte sich aber nicht danach an. Sprach er von sich, oder von ihr? Ich hatte meine Schwierigkeiten der Logik zu folgen. Ich versuchte mir vorzustellen, woran er bei seinen Worten gedacht haben könnte. Erst nach reichlicher Überlegung kam ich darauf, was er wohl meinte: Anna hatte sich nie wirklich darum geschert, ob ihre scheinbar harmlosen Spielereien andere Menschen womöglich verletzen könnten. Anna war in ihren Taten zwar generell alles andere als böswillig, aber etwas unverantwortlich war sie gerne manchmal.
.....Wer hätte gedacht, dass dieser Einzelgänger so empfindlich ist? Eins stand auf jeden Fall fest, Martin meinte es sehr ernst. Ich versuchte mich über die Widersprüchlichkeit seiner Taten und seiner Wünsche aufzuregen, aber irgendwie ging das nicht mehr so gut
.....– Hey... Martin.
.....– ...nanda?
.....– Du bist verrückt...
.....– ...iidaro – er lächelte erleichtert – es gibt durchaus plausible Argumente, die deinen Standpunkt bekräftigen.
.....Ich hatte vor diesem Tag fast nichts mit Martin zu tun gehabt. Ich dachte immer, er wäre nur ein zu groß geratenes Arschloch. Unser Gespräch ist nicht besonders lang gewesen, aber es reichte um meine Einstellung zu verändern. Ich fühlte eher intuitiv, dass er schließlich doch kein schlechter Mensch war. Er war, genauso wie alle anderen Menschen, naiv und unperfekt. Jetzt verstand ich, dass er in seiner Naivität, zum Teil sehr ungeschickt, dem Ideal der Gerechtigkeit folgte. Wer weiß, vielleicht war er so zurückgezogen, weil er sich über seine eigenen Taten nicht immer im Klaren war und deshalb dachte, es wäre besser, so wenig wie möglich mit anderen Menschen zutun zu haben, um auf diese Weise weniger Gelegenheit zu haben sie aus Versehen zu verletzen? Oder um anderen weniger Gelegenheit zu geben ihn selbst zu verletzen? Eine traurige Vorstellung. Ob er wusste, dass seine Abgeschottetheit zumeist ganz falsch rüberkam und sich die Menschen um ihn herum gerade deshalb angegriffen fühlten?
.....– Ich habe heute mehr über mein Inneres verraten, als jemals in den letzten zehn Jahren. – Martin hörte sich recht zufrieden an – Das heißt du bist mir was schuldig, Gregor.
.....– Hm... – eigennützig war er aber auch selbst durchaus.
.....– Wenn meine Überlegungen stimmen, dann habe ich schon etwas im Auge, worum ich dich bitten würde – er grinste mir verschwörerisch zu – aber keine Sorge, es ist nichts, was dich überfordern könnte.
.....– Wie, deine Überlegungen?
.....– Mach dir vorerst keine Gedanken. Ich sage dir früh genug bescheid, wenn es soweit ist. – er holte wieder sein Handy raus, doch packte es gleich wieder weg – Jetzt ist es erst mal an der Zeit, dieses kleine private Gespräch zu beenden. Sie ist da.
.....– Wer ist wo?!
.....– Ich sage es dir doch, sie ist hier. Bitte, komm herein. Gesell dich zu uns... Anna.
.....Ich glaubte meinen Ohren nicht. Ich schaute in einer so scharfen Bewegung zurück zur Balkontür, dass ich mir fast den Kopf verdrehte. Wie aus dem heiteren Himmel stand Anna wirklich an der Tür. Sie stand da und ihre langen Haare streuten und rieselten im Wind.
.....Wie kam sie hierher?! Wie konnte das sein? Sie ist bestimmt noch nie hier gewesen und wenn sie wusste, dass wir hier sind, dann müsste sie uns absichtlich nachgelaufen sein. Martin hat sie erwartet. Die beiden hatten sich also abgesprochen. Ja, so war es wohl. Aber wozu ist sie gekommen? Was erhoffte sie sich dabei?
.....Anna machte einen Schritt nach Vorne und setzte sich langsam genau am Türspalt zwischen uns. Ihre Augen glänzten im Sonnenlicht und sahen immer noch verweint aus. Konzentriert mied sie unsere Blicke. Von der lebensfrohen und hyperaktiven Anna, die alle so gut kannten, war jetzt keine Spur mehr zu sehen, aber sogar in ihrem Unglück wirkte sie unglaublich schön und attraktiv.
.....– Du bist wieder früher dran als erwartet – Martin legte ihr die Hand freundschaftlich auf die Schulter – aber du bist, wie immer, genau zum richtigen Zeitpunkt da.
.....Das alles entsprach ganz und gar nicht den Erwartungen, da hatte er recht. Anna nickte ihm leicht zu und schaute mich an. Mir direkt in die Augen. Das hat mich noch mehr entrüstet. Sie sprach mit einer leicht zittrigen Stimme
.....– Gregor. Heute in der Schule... Du hast wirklich geglaubt, was die anderen erzählt haben, nicht wahr? – sie konnte sogar ein leichtes Lächeln aufbringen – Ich weiß, du wolltest helfen. Wie immer. Ich möchte mich bei dir dafür bedanken.
.....Ich hörte ihre Worte nur sehr schlecht. Sie sprach deutlich genug, aber trotzdem empfand ich alles wie hinter einer Mattscheibe. Vielleicht lag es daran, dass ihr süßes Gesicht keine zwanzig Zentimeter von dem meinen entfernt war. Währenddessen klang ihre Stimme weiter
.....– Die Leute in der Schule haben nicht gehört, worüber ich mich mit Martin unterhalten habe. Sie haben sich alles nur zusammengereimt. Ich habe Martin nichts gefragt... und er trägt überhaupt keine Schuld an...
.....Sie stoppte in einem Tränenanfall, doch konnte sich gerade noch unter Kontrolle halten. Mit beiden Händen strich sie über ihr Gesicht, Atmete tief durch und warf einen schwachen Blick auf die Stadt
.....– Es ist schön hier...
.....Martin hielt die freundschaftliche Hand immer noch auf ihrer Schulter. Als ob er versuchen wollte, ihr auf diese Weise Kraft einzuflößen. Sie hatte ganz offenbar nichts dagegen, was nur noch einmal bestätigte, dass sich die Beiden eigentlich doch gut verstanden. Sie hatte ihn also nichts des Angenommenen gefragt? Es standen keine unangenehmen Umstände zwischen ihnen? Und sie wollte sich nur bei mir für mein Mitgefühl bedanken? Das schien einiges aufzuklären. Ja. Wie typisch von den Schulleuten, alles auf eine zu einfache Art und Weise zu interpretieren, wenn sie einmal nicht genau bescheid wussten. Wenn man es recht erwägt, ist die Vorstellung doch lächerlich gewesen, dass Anna nur wegen einer einfachen Absage wirklich jemals heulen würde. Sie hatte einen ganz anderen Charakter. Ich habe mich blauäugig täuschen lassen und war tollkühn genug, danach auch noch Martin zu diesem Thema auszuquetschen. Er hat mich dabei aber ernst genommen, anstatt mich auszulachen. Das sollte man ihm gut anrechnen. Eine Frage stand nach dieser Aufklärung aber wieder offen. Warum hatte Anna denn dann geweint, wenn es nichts derart triviales war? Was könnte Martin ihr verraten haben, das sie dazu getrieben haben könnte? Mich beschlich der leise Verdacht, dass es etwas viel ernsteres und bittereres sein musste, als es eine dumme Absage jemals sein könnte.
.....Anna wollte offensichtlich noch etwas sagen, doch konnte sich nicht dazu durchringen. Man sah förmlich, dass ihr etwas auf der Zunge lag, aber sie fand keine Möglichkeit darauf zu sprechen zu kommen, keine plausible Wendung es in das Gespräch einzuflechten. Das passierte ihr vorher noch nie. Deswegen hat dieser Umstand sie wohl in höchste Nervosität getrieben. Erst jetzt erreichte mich der Gedanke, dass ich ihr womöglich etwas antworten sollte. Doch so schleierhaft es auch ist, war ich in dem Moment auch nicht fähig passende Worte zu finden. Martin, der sich solange sie sprach lauschend zurückhielt, ergriff wieder das Wort
.....– Ich habe es mir schon fast gedacht, – sagte er mit einem Lächeln – bist du dir absolut sicher, dass es klappt?
.....Anna nickte leicht.
.....– Mach dir keine Gedanken – Martin nahm die Hand von ihrer Schulter – geh einfach vor, wir holen dich gleich ein. Gregor wird sicher mitkommen. Er ist mir noch einen Gefallen schuldig.
.....Anna überlegte kurz, stand dann rasch auf, warf uns beiden noch einen letzten Blick zu und verschwand genauso schnell wieder im Türspalt, wie sie erschienen ist. Zu dem Zeitpunkt habe ich endgültig den Faden verloren. Die beiden hatten etwas vor, das habe ich noch mitgekriegt, und ich sollte mitkommen. Aber wozu?! Das ärgerte mich einwenig. Konnten sie sich denn nicht klarer ausdrücken?
.....Martin Stand auch auf, drehte sich zur Tür und reichte mir die Hand
.....– Ikuse! – lächelte er zufrieden – Du hast sie doch gehört. Komm mit.
.....Ich wollte sagen, dass ich von ihr eigentlich nichts gehört hatte, aber es machte keinen Sinn sich lange überreden zu lassen. Ehrlich gesagt war ich selbst ziemlich intrigiert zu erfahren, was die beiden am Laufen hatten. Ich gab ihm also die Hand, stand auf und wir verließen den Balkon.
.....Wir machten uns auf den Weg zu Annas Haus. Keiner sagte mir wo wir hin wollten, aber die Richtung, die wir einschlugen, verriet unweigerlich das Ziel. Den ganzen Weg lang sagte niemand von uns ein Wort, eine schweigsame Dreierclique, die langsam die Straßen entlang zog. Anna wirkte wieder einigermaßen ruhig. Es ist sehr schlau von Martin gewesen, sie vorzuschicken. Wir holten sie zwar schnell wieder ein, aber sie konnte, während sie alleine gewesen ist, ihre Nervosität ablegen.
.....Spätestens jetzt, wo wir unterwegs zu Anna waren, wusste ich, dass dieser Tag wirklich etwas ganz besonderes war. Es passierten so viele fast undenkbare Dinge, dass ich Schwierigkeiten hatte meine Aufregung im Griff zu behalten und dennoch ließ sich das meiste schließlich doch einigermaßen rational erklären. Ich fühlte zwar wieder die sonderbare Stumpfheit im Kopf, aber die Gesellschaft von Anna und Martin war mir sehr angenehm.
.....Sie waren interessante Leute. Sie sprachen so wenig, nicht etwa, weil sie nichts zu sagen hatten. Untereinander schienen sie nur dann zu reden, wenn es darum ging, wichtige Informationen zu vermitteln, als ob sie darauf aus wären, durch erhöhte Effizienz die maximale Ausbeute aus ihrem Sprachgebrauch zu schöpfen. Einfach so zum Spaß wurde nichts gesagt. Martin meinte zwar vorhin, er würde gerne in Rätseln sprechen, aber mit Anna schien er sich zu diesem Zwecke sogar nur in bloßen Blicken unterhalten zu können. Ich wollte nicht wissen um wie viel komplizierter das noch war. Überhaupt hatte ich nicht gedacht, dass die beiden miteinander rumhingen. Aber passende Leute haben sich wohl schon immer zusammengefunden.
.....Als wir bei Anna ankamen, machte sie schweigend die Tür auf und ließ uns eintreten. Wir machten es uns im Wohnzimmer auf den riesigen weichen Ledersesseln gemütlich. Ich erwartete, dass die beiden mir jeden Augenblick verraten würden, was sie sich denn ausgebrütet hatten, aber es kam nichts. Sie saßen einfach da. Ich habe bereits angefangen mir Sorgen zu machen, als ich bemerkte, dass sie schon wieder in ein Blickgespräch verwickelt waren. Da musste ich lachen. Sie waren einfach herrlich verrückte Leute. Es sollte aber nicht länger so weiter gehen, ich konnte in bloßen Blicken ja nicht mitreden
.....– Ähm, kommt heut noch was? – konnte ich mein breites Lächeln nicht unterdrücken.
.....Martin und Anna warfen sich zwei letzte Blicke zu und er beendete ihre Konversation mit einem zustimmenden Nicken. Anna fragte mich daraufhin ganz indiskret
.....– Gregor, was hältst du eigentlich von der Welt?
.....Die Frage war komisch. Was sollte ich denn von ihr besonderes halten? So langsam hörte ich aber auf, mich an dem Tag über schräge Sachen zu wundern. Die Antwort war ja auch nicht sonderbar kompliziert. Ich musste ihr nur sagen was ich denke
.....– Die Welt? ...Ich finde sie schön. Der blaue Himmel und die grüne Natur, frische Luft, das Spiel des Lichtes und die Gerüche. Das ist alles ziemlich cool. Ich liebe die Welt!
.....– Nein. – Anna war mit der Antwort nicht zufrieden – Ich meine die Menschenwelt.
.....– Die Menschenwelt? Na ja... Ich finde die Gesellschaft sehr wichtig. Es wäre ja schrecklich, ganz allein auf der Welt zu sein. Nicht wahr?...
.....– Gregor... – Anna schaute mich so an, als wäre ich ein kleines Kind – hast du dir jemals ernsthaft Gedanken über die Menschen gemacht? Ist dir nie etwas aufgefallen?
.....– Ja, guut... Ähm, wenn du so fragst. Natürlich bin ich mir auch so mancher Probleme bewusst. Da wäre einmal die Umweltverschmutzung, dann noch die Hungersnöte in den Entwicklungsländern, schließlich die Kriminalität. Die Menschenwelt ist bestimmt nicht perfekt, aber wir bemühen uns ja. Die Wirtschaft wird immer Umweltfreundlicher und es gibt Unterstützungsprojekte und Spenden für arme Länder. Ich finde es passiert durchaus viel Gutes...
.....– Gregor, du lebst ja in einer rosaroten Welt... – sie schaute mich ganz traurig an – Was ist, wenn ich dir sage, dass so ziemlich alles was du etwa von den Umweltproblemen gehört hast, totaler Schwachsinn ist?
.....– Wieso?
.....– Schau. Man spricht zum Beispiel von den Abgasen und der globalen Erderwärmung, welche die Menschheit angeblich in der Zukunft bedrohen wird. Die Fakten aber lauten, dass die Jahresdurchschnittstemperatur, sogar dem „worst case“ Szenario folgend, in einem Jahrhundert lediglich höchstens um sechs Grad ansteigen wird. Weißt du denn, dass diese Veränderung nicht negativ, sondern sogar wünschenswert ist, da wir uns derzeit erdgeschichtlich in einer Eiszeit befinden?
.....– Worauf willst du hinaus?
.....– Warte, es ist noch nicht alles! – Anna wurde von ihren Emotionen förmlich verschlungen und fing an immer schneller zu sprechen – Sie sagen, der Nordpol schmilzt ab. Alle fürchten sich davor. Doch den Fakten nach würde der Weltmeeresspiegel sich höchstens um vier Meter anheben, auch wenn jedes einzelne Eisstück vom Nordpol verbrutzeln würde. Hört sich das etwa nach einer Überschwemmung an?! Überhaupt ist die Eisbildung an den geografischen Polen über Jahrmillionen betrachtet für den Planeten unnormal!
.....– Äh...
.....– Und sie sagen „rettet die Eisbären“!! Ooh, den armen Eisbären schmilzt der Lebensraum unter den Pfoten weg. Als ob nicht bekannt wäre, dass sich die Eisbären die längste Zeit ihres Lebens sowieso auf dem Festland in Sibirien, Kanada und Grönland aufhalten, wo es an den Küsten genügend Robben zum Jagen und so viel Eis und Schnee gibt, dass jeder einzelne Bär sich eine Burg bauen könnte, auch wenn der Nordpol völlig abtaut. – sie hielt sich den Zeigefinger empört an die Schläfe – verstehst du, Gregor? Das sind alles Lügen! Lügen und Angstmache für den einfachen Menschen!
.....– Aber warum sollte jemand solche Lügen verbreiten?
.....– Profit. Die sogenannte umweltschutzgerechte Produktion überteuert die Märkte. Es ist ein sehr geschicktes Kalkül, den Selbsterhaltungstrieb und die Mitleidsfähigkeit von manchen Bevölkerungsschichten auszunutzen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Im Grunde geht es dabei nur um Habgier... Ich hoffe, ich muss dir nicht wirklich sagen, dass es sich mit den Spenden für die armen Länder nicht viel anders verhält?
.....– Meinst du, von dem Geld bereichert sich nur jemand?
.....– So traurig es auch ist, in den meisten Fällen, ja. Und auch wenn Hilfsaktionen mal wirklich durchgeführt werden, so sind die Leistungen verschwindend gering und das Ganze dient nur dazu, die Medien zu füttern und damit wiederum noch mehr Geld zu verdienen.
.....– Wie kannst du dir denn da so sicher sein?
.....– Einfache Mathematik. In den letzten Jahrzehnten wurden Milliardenbeträge für angebliche Hilfe investiert. Sinnvoll angewandt könnten diese Gelder dreimal so viele Menschen, wie derzeit hungern, wieder auf die Beine stellen. Und trotzdem hat sich an der Lage nichts getan. Welche Beweise braucht man denn noch? Es ist alles wegen diesen mitleidslosen Genen...
.....Anna atmete in ihrer erzürnten Aufregung sehr tief, sodass ich Schwierigkeiten hatte, meinen Blick von ihrem Ausschnitt fern zu halten. Jah, Männer, so sind wir nun mal. Ganz egal worüber das Gespräch geht, wir können’s nicht lassen. Ihre Argumentation war mir aber auch ganz neu. Es war mir sogar etwas peinlich, dass ich mich noch nie wirklich über solche Sachen informiert habe.
.....– Du hast noch die Kriminalität angesprochen. – setzte Anna zu einer weiteren Gedankenflut an – Das ist auch ein Bereich, in dem der Öffentlichkeit nicht alles genügend transparent zugänglich gemacht wird. Was glaubst du, zum Beispiel, wie hoch die Gewaltrate in unserer eigenen Stadt ist?
.....– Gewaltausbrüche? ...Na ja, so einpaar Mal im Monat scheint sich so was wohl nicht vermeiden zu können...
.....– Falsch. Du musst wissen, ich bin extra dafür zum Krankenhaus gegangen, um mit den Ärzten zu sprechen. Das ist hier um die Ecke, an der Brahmsallee. Sie sagen, dass pro Tag durchschnittlich vier bis fünf Menschen auf der Intensivstation sterben und die wenigsten davon fallen einfachen Unfällen zum Opfer. Du kannst dir ja ausmachen, wie viele das im Jahr sind und die Bevölkerung unserer Stadt ist verhältnismäßig klein. Es sind Opfer von Gewalt, Gregor. Stumpfe Mordslust. Sie ist überall und in erschreckenden Ausmaßen verbreitet.
.....– Aber wir leben doch in einem Rechtsstaat! – das war mir nun etwas zu viel des Guten – Die Schuldigen werden zur Rechenschaft gezogen.
.....– Ja, Gregor. Dieses Konzept wird durchaus praktiziert. – die Traurigkeit wechselte wieder ihren Zorn ab – Die Gefängnisse sind überfüllt. In solchen Ländern wie die USA, oder Russland, von China ganz zu schweigen, sitzen Millionen Menschen hinter Gittern. Es fragt sich nur, ob und wie effizient diese Lösung ist. Und damit kommen wir zu der Pointe unserer kleinen Unterhaltung... Martin, bitte.
.....Martin, der sich wieder lauschend zurückgezogen hatte, setzte sich bequemer hin und nahm ihr den an mich gerichteten Monolog ab
.....– Die Auflösung ist höchst wissenschaftlich. Es handelt sich um die neuste Erkenntnis in der Neuropsychologie... – er machte eine vielbedeutende Pause – Du magst vielleicht noch denken, dass der Mensch einen freien Willen besitzt, dass die Vernunft über den Trieben steht und dass der Verstand die Welt regiert. Aber glaub mir, dem ist nicht so. Es ist ein jahrtausend alter Irrtum. Ein Überbleibsel aus der Antike, der sogenannten Hochzeit der Vermutungswissenschaften.
.....– Martin, kannst du bitte etwas deutlicher werden? – ich erkannte noch keine Zusammenhänge.
.....– Gerne. Es liegen nun wissenschaftliche Beweise vor, dass der Mensch sich im laufe der Evolution keineswegs von seinen tierischen Instinkten losgelöst hat. Ganz im Gegenteil wird sein Wesen nur umso mehr von fein dirigierenden, im Unterbewusstsein versteckten Trieben bestimmt. Jede einzelne Tat des Menschen hat ihren Ursprung in einem instinktiven Impuls. Solchen Impulsen ist der Hormonhaushalt unterworfen, demnach also auch die subjektive Empfindung und Urteilsfällung, mit ihnen die Logik und letztendlich die ganze Rationalität.
.....– Hm... Und was heißt das jetzt genau?
.....– Das bedeutet schlicht und ergreifend, dass nicht die Vernunft, wie früher angenommen, über die Instinkte herrscht, sondern umgekehrt unsere Triebe das Bewusstsein lediglich als ein hervorragendes Werkzeug zu ihrer Befriedigung ausnutzen.
.....– Eine revolutionäre Vorstellung. – ich wusste nicht recht was ich davon halten sollte – Aber was hat das jetzt mit unserem Thema zu tun?
.....– Oh, ganz viel sogar. – man sah deutlich, dass Martin sehr viel Geduld für mich mitgebracht hatte – Wenn alle Taten und Ziele eines Menschen direkt aus seinen vorausdefinierten Instinkten resultieren, dann gibt es keinen freien Willen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Habgier eines Individuums nicht etwa selbst verschuldet, sondern genetisch veranlagt ist. Auch der Mangel an Mitgefühl für die hungernden Mitmenschen ist nichts weiter als ein ausgeprägtes Merkmal. Wie schließlich auch die Neigung zur Gewalt. Das Schlimmste ist, dass nach dieser Vorstellung kein einziger Mensch für seine Vergehen verantwortlich gemacht werden darf, da er nicht anders kann, als nach seiner genetischen Programmierung zu handeln. Nicht der Wille, sondern ein Instinkt führt also in jeder Lebenssituation unsere Hand. Einen Mörder für seine Übeltat zu verurteilen wäre demnach genauso absurd, wie einem fehlerhaft geschriebenen Computerprogramm die Schuld an seiner mangelhaften Funktionalität zuzuweisen. Bei dem besagten Computerprogramm würde sich die Schuld logischerweise auf dessen Programmierer übertragen... Wie die Schuldfrage im Falle des Menschen aufzulösen ist, kann ich leider nicht wissen. Ich kann dir aber jetzt schon voraussagen, dass diese Erkenntnisse noch zu vielen Streitigkeiten in dem Rechtswesen führen werden.
.....Martin schaute kurz zu Anna und ich fürchtete, dass sich die beiden wieder in ihre Blicke verfangen würden, aber glücklicherweise sprach er gleich weiter
.....– Anna hat dir gerade vor die Augen geführt, dass die Laster in der Gesellschaft deutlich dominieren. Wenn wir also das Alter der Menschenkultur in Betracht ziehen und die vorliegende Merkmalverteilung unter den Individuen analysieren, dann können wir mit gutem Gewissen behaupten, dass die sogenannten Tugenden zu den rezessiven Merkmalen der Menschenrasse gehören. Konkurrieren zwei Gene miteinander, so setzt sich stets das dominante Gen in der Merkmalausbildung durch und das rezessive wird unterdrückt. Sollten sich die Erbinformationen über viele Generationen immer weiter unkontrolliert vermischen, dann wird irgendwann der Zeitpunkt erreicht sein, wenn kein einziges Individuum mehr ein ausgebildetes rezessives Merkmal aufweisen wird. Damit ist diese Welt also dazu verdammt, früher oder später in Gleichgültigkeit, Habgier und Gewaltausbrüchen unterzugehen, da die instinktiven Tugenden unter den Menschen irgendwann genetisch gänzlich unterdrückt sein werden.
.....Ich war geschockt, wie mitgerissen Martin diese Dinge erzählte. Er konnte mir bestimmt nichts vormachen, er meinte es wirklich ernst. Ich war aber der Meinung, dass die Hoffnung damit zu früh aufgegeben war. Es ließe sich doch wahrscheinlich noch etwas dagegen machen
.....– Du sagst wir sind verdammt. Aber ist das wirklich so? Auch wenn diese Wissenschaftler recht haben und der Mensch eingeborene Verhaltensmuster hat, reflektieren können wir doch trotzdem noch! Wir haben das Problem ja erkannt. Etwas, was sich dem Verstand nicht entzieht, kann doch auch beeinflusst und geändert werden, oder nicht?
.....Anna schaltete sich wieder in das Gespräch ein
.....– Das ist ja genau das Problem mit den Gefängnissen. Dort wird versucht, die Menschen umzuerziehen und sie etwa von den Lastern der Habgier und Gewalttätigkeit zu befreien. Aber die Statistik zeigt, dass diese Versuche fast umsonst sind, da Freigelassene in erdrückender Mehrheit der Fälle zu Wiederholungstaten neigen. – sie seufzte tief – Das ist ja auch kein Wunder. Wie kann man einen Instinkt in nur einpaar Jahren brechen, wenn die Bemühungen von ganzen Jahrtausenden nichts gebracht haben? Solche Bemühungen waren die Religionen. Diese alten gedanklichen Konstrukte sind bekanntlich eine Zeit lang sehr mächtig gewesen. Fast jede Religion fordert die Menschen dazu auf, tugendhaft zu sein. Sogar gleich die ersten und wichtigsten Gebote verlangen es. Aber die Bereitschaft der Massen an eine fiktive Überlieferung zu glauben hat sich letztendlich aufgelöst und somit haben die Religionen heutzutage fast keine wohltuende Wirkung mehr. Im Gegenteil werden manche von ihnen nun völlig falsch interpretiert und zur Gewaltförderung missbraucht.
.....Was sie sagte, erschien mir durchaus schlüssig und logisch. Das machte ihre Aussagen aber nur noch umso trauriger. Ich war dabei den Kampfgeist aufzugeben
.....– Das heißt, es gibt keine Rettung mehr für unsere Welt? Keine Umerziehung?
.....Anna schüttelte den Kopf
.....– Vergiss die Umerziehung. Ein von Schatten bedrängter Apfelbaum wächst schräg, um unter das Sonnenlicht zu gelangen, aber seine Früchte bleiben immer noch die selben. Um die genetische Struktur zu verändern sind viel größere Eingriffe von Nöten und dazu wird sich die Gesellschaft niemals freiwillig bereit erklären.
.....Ein Hauch eines müden Lächelns kam auf ihrem Gesicht zum Vorschein
.....– Weißt du Gregor, ich habe schon sehr lange mit der qualvollen Erkenntnis leben müssen, dass die meisten Menschen um mich herum völlig egoistisch, habgierig und brutal sind. Ja, ganz recht, auch die Menschen unmittelbar unter uns, auch in unserer Klasse. Ich habe stets versucht ihnen die Alternative zu zeigen. Ich schenkte ihnen Aufmerksamkeit. Stand ihnen mit uneigennütziger Hilfe zur Seite. Schließlich dienten meine Partys zu ihrer Belustigung. Doch keiner von denen folgte je meinem Vorbild. Niemand übernahm diese Eigenschaften. Sie nahmen sich alles, doch gaben nichts zurück. Und heute, am Tag meines Unglücks, konnten sie nicht anders, als Martin einfach zu einem Sündenbock zu machen und ihre Wut auf ihn auszulassen. So sind nun alle Menschen, die ich nicht für abgestumpfte Egoisten halte, heute und jetzt hier versammelt. Ich muss euch gestehen, dass ich letztendlich ermüdet bin. Ich kann nicht mehr. Diese Welt lässt sich nicht ändern. Ich gebe auf. Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich will einfach nur... hier weg...
.....Ich konnte ihre verbitterte Machtlosigkeit förmlich spüren. Es war nicht gerecht, dass solche Menschen wie Martin und Anna in ihrem Leben so viel leiden mussten! Das Schicksal hat sie nebst herausragender Intelligenz noch zusätzlich mit einer sensiblen Gefühlslage ausgestattet, deswegen konnten sie nicht anders, als sich über alles mögliche Gedanken zu machen. Sie deckten daraufhin irgendwann die Verderbnis der menschlichen Kultur auf und quälten sich schließlich selbst mit fruchtlosen Verbesserungsbemühungen ab... Ja, sie sehnten sich nach einer besseren Welt. Martin würde wohl sagen, es war ihre genetisch vorgegebene Bestimmung, danach zu verlangen.
.....– Hör mal, Anna, ich verstehe was du meinst. Glaub mir, ich fühle mit dir... – wieder war mir nichts lieber, als ihr Leiden zu beenden – aber versteh doch, wir haben keine Wahl. Es gibt keine Alternative. Wir leben nun mal in dieser Welt und ich wüsste von keiner anderen. Ich denke, wenn wir diese Welt nicht ändern können, dann müssen wir lernen damit umzugehen. Sich mit der degradierenden Gesellschaft abzufinden und uns auch mit kleinen Dingen, die wir noch haben, zufrieden zu stellen. Denn, Anna, letztendlich weißt du doch, du bist nicht allein...
.....Sie hob ihren Blick auf mich und ihre Augen glänzten in einer Mischung von Tränen und Euphorie. Ich hatte bei diesem Anblick so meine Schwierigkeiten, nicht aus dem Sessel zu springen und sie in meine Arme zu schließen. Mit einer vor Aufregung zitternden Stimme sprach sie zu mir
.....– Doch, Gregor... Es gibt einen Weg. – sie schnappte nach Luft – Ich versichere dir, dass es noch eine andere Welt gibt! ...Wir müssen nur fliehen. Uns nur dazu entscheiden, diese Welt für immer zu verlassen... Dort, in der anderen Welt, regiert die Tugend! Dort gibt es das, was wir hier so sehr vermissen...
.....Was sollte das heißen? War sie etwa aus Verzweiflung religiös geworden? Ich stutzte
.....– Anna... du hast doch nicht etwa vor... sich selbst...
.....– Oh, nicht doch, Gregor! Um Gottes Willen. – sie musste lachen und für eine Sekunde kam ihre frühere lebensfrohe Natur zum Vorschein – Komm mit! Ich zeige es dir!
.....Sie sprang auf, schnappte sich meine Hand und zog mich aus dem Sessel. Wir liefen in den Flur und die Treppe in den Keller hinunter. Bei jeder Party in Annas Haus konnte nie jemand in den Keller hinabsteigen, da die Tür immer abgeschlossen war. Jetzt stand sie aber komischer Weise weit offen. Anna hielt meine Hand immer noch fest und zog mich sicher hinter sich her. Wir schlüpften durch den Türspalt und ein unglaublicher Anblick offenbarte sich mir.
.....Der Keller war mindestens so groß wie das Wohnzimmer. Dutzende von Neonlampen an der Decke hüllten den Raum in weißes Licht. An den Wänden standen mehrere Reihen von schrankgroßen eisernen Kisten, die mit blinkenden rot-grünen Dioden versehen waren. Unmengen an ineinander verwobenen Kabeln führten von diesen Kisten zur Mitte des Raumes. Da standen einpaar Tische mit mehreren leuchtenden Monitoren, Tastaturen und weiteren mit Knöpfen versehenen Gerätschaften. Schließlich befand sich hinter den Tischen eine kreisrunde freigeräumte Fläche, zu der hin ein Gang, von der Kellertür aus, durch die Unordnung des Raumes führte. Um die runde Fläche herum standen fünf projektorartige Dinger, die an den Ecken eines, in den Kreis gezogenen, Pentakels nach Innen gerichtet positioniert waren und ein noch grelleres weißes Licht als die Neonlampen absonderten.
.....Anna lief in den Raum hinein, drehte sich um und lächelte mich begeistert an. Von dem Anblick erschlagen torkelte ich langsam hinterher und konnte nur noch vor sich hin murmeln
.....– Aber... was ist das hier? ...Habt ihr das alles mit Martin zusammen aufgebaut?
.....– Oh, zu viel der Ehre! – erklang Martins Stimme hinter mir. Er war uns aus dem Wohnzimmer gefolgt – Um das, was du gerade siehst, aufzubauen, waren zwei andere wirklich geniale Menschen von Nöten. Ein herausragender Nanoingenieur und eine unkonventionell denkende Astrophysikerin. Nämlich Annas Eltern. Wir mit Anna hingegen hatten eine Zeit lang sogar unsere Schwierigkeiten, lediglich herauszufinden, was diese Konstruktion hier überhaupt bezwecken soll.
.....Er stellte sich neben mich und schaute genauso begeistert wie Anna in den Raum
.....– Vor deinen Augen ist der weltweit erste Prototyp eines interdimensionalen Wahrscheinlichkeitsfeldgenerators! Kurz gesagt, ein IdWafeg. Der Zweck dieser Vorrichtung ist gar nicht so offensichtlich. Siehst du die Pentakelfläche dort drüben? Die Projektoren an den Ecken sind in der Lage, elektromagnetische Strahlung einer bestimmten energetischen Konstellation zur Mitte hin auszustrahlen, was jedes atomare Objekt, das sich im Innenbereich des Pentakels befindet, in einen kohärenten Zustand versetzen kann. Die gewaltige Rechenleistung der Supercomputer, die du hier an den Seiten sehen kannst, stellt sicher, dass die Strahlung der Projektoren an jede mögliche molekulare Konstruktion, die sich je im Pentakel befinden sollte, perfekt angepasst wird.
.....Martin sprach so unglaublich schnell und überzeugt, als ob er ein brand neues Produkt an mich vermarkten wollte
.....– Du könntest jetzt fragen, wozu der kohärente Zustand gut ist? Nun, der ist unverzichtbar, um allen auf diese Weise angeregten Nanoobjekten im nächsten Schritt durch eine weitere elektromagnetische Welle einen Impuls zu verleihen, der sie einheitlich in die selbe Richtung einer Raumdimension verschieben soll, die nicht zu den drei uns bekannten Raumdimensionen gehört.
.....– Also... In eine Raumdimension, die eigentlich gar keine ist? – Ich konnte bisher nur schwer folgen. Ihr wisst schon, Physik war nie so mein Ding.
.....– Nein. In eine ganz normale weitere Raumdimension, die uns sonst nur nicht zu sehr auffällt, da unsere Sinnesorgane sie nicht ohne Weiteres registrieren können und die Materie, aus der wir bestehen, sich sowieso zu wenig in ihr bewegt. Das entspricht einer revolutionären Theorie, die Annas Eltern aufgestellt haben.
.....Sein bewundernder Blick richtete sich kurz auf Anna
.....– Gregor, du kennst doch bestimmt den Tunneleffekt etwa aus dem Physikunterricht? Es geht dabei darum, dass ein Nanoobjekt, also zum Beispiel ein Elektron, zufällig eine bestimmte Strecke im Raum überspringen kann, obwohl der Weg in diese Richtung energetisch eigentlich vollkommen ungünstig ist. In der Quantenphysik hat man sich das Leben leicht gemacht und einfach gesagt, dass sich das Elektron zufällig in eine frei gewählte Richtung teleportieren kann. Man hat sich leider keine weitere Mühe gemacht, zu diesem Phänomen noch präzisere Erklärungen zu finden. Mit ihrer neuen Theorie haben Annas Eltern aber versucht es zu erklären und sie haben damit einen wirklichen Durchbruch erzielt. Ihre Theorie besagt, dass das Elektron sich bei einem Tunnelsprung keineswegs aus irgendwelchen schleierhaften Gründen teleportiert, sondern dass es sich lediglich kurzfristig in einer weiteren Raumdimension verschiebt. Deswegen kann es während seiner Verschiebungszeit nicht mehr in dem uns vertrauten dreidimensionalen Raum angetroffen werden. Anschaulich kann man es sich folgendermaßen vorstellen. Wenn du ein Blatt Papier nimmst, welches unsere Welt repräsentieren soll, und ein Punkt darauf malst, dann befindet sich dieser Punkt in der zweidimensionalen Raumfläche des Blattes. Solltest du daraufhin den Punkt aber von der Blattoberfläche lösen und ihn in einer weiteren, also der dritten, Raumdimension etwas höher oder tiefer platzieren, dann wird er nicht mehr auf dem Blatt aufzufinden sein. Mit dem Elektron verhält es sich entsprechend. Hinzu kommt, dass die Krümmungen der drei eigentlichen Raumdimensionen für das verschobene Elektron völlig unerwartet aussehen können und es deshalb, während seiner Verschiebung, eine Strecke durchmachen kann, die wir nicht ohne Weiteres vorhersagen können. Danach kommt das Elektron von seiner Dimensionsreise wieder und verschiebt sich in unsere gewöhnliche dreidimensionale Welt zurück, wo wir es schließlich an einem Ort auffinden, an dem wir es niemals logisch vermutet hätten. Es gilt das Postulat, dass jedes materielle Teilchen stets bestrebt ist, sich in allen anderen Raumdimensionen genau auf den Koordinaten aufzuhalten, an denen sich unsere dreidimensionale Welt befindet.
.....Um ehrlich zu sein, verstand ich von dem ganzen Krams nur Bahnhof. Irgendwelche zusätzlichen Raumdimensionen, springende Elektronen, Postulate, gegen solche Begriffe hatte ich mir schon längst eine mentale Sperre errichtet. Ich gab mir jetzt also einfach die Mühe so zu wirken, als ob ich alles nachvollziehen könnte was Martin mir erzählte. Damit hatte ich wohl Erfolg, da er nichts zu bemerken schien und einfach fröhlich weiter vor sich hin sprach
.....– Wie du sicherlich schon weißt, ist es in der Natur nur sehr unwahrscheinlich, dass so ein Tunnelsprung von einem Nanoobjekt sich über relativ weite Strecken vollzieht. Doch dies ist genau die Aufgabe des IdWafeg. Durch die Anregung mit einer präzise abgestimmten elektromagnetischen Welle, wird die Wahrscheinlichkeit für eine Dimensionsverschiebung der sich im Pentakelfeld befindenden Materie um mehr als einhundert Prozent angehoben. Damit schafft es der IdWafeg die gesamte Materie aus dem Pentakelfeld gleichzeitig in die selbe Raumrichtung zu verschieben, sodass die molekulare Struktur der Stoffe erhalten bleibt und ein Mensch nicht etwa in Stücke gerissen wird. Zusätzlich verlässt die vom IdWafeg beschleunigte Materie die Grenzen unserer dreidimensionalen Welt mit einem so großen Impuls, dass sie in der kurzen Verschiebungszeit, wegen der völlig anderen Raumkrümmung in den Paralleldimensionen, mit Leichtigkeit wahrlich astronomische Strecken hinter sich legen kann, bevor sie in der besagten Verschiebungsdimension an die Ausgangskoordinate zurückkehrt und für uns in unserem Raum wieder registrierbar wird. Verstehst du was das bedeutet?
.....Ich ließ mir einpaar Sekunden Bedenkzeit, nur um mich zu vergewissern, dass ich wirklich nichts verstanden hatte. Ich wollte mich aber nicht blamieren, also musste Ich schleunigst etwas raten, was vielleicht ansatzweise doch richtig sein könnte. Martin sprach von irgendwelchen Dimensionssprüngen und von kurzen und weiten Strecken. Vielleicht war es ja einfacher als ich dachte. Ein Kribbeln lief mir den Rücken hinunter
.....– Damit lässt sich... Damit kann man... in Sekundenbruchteilen zu sehr weit entfernten Orten reisen?
.....Die Vorstellung war so fantastisch herrlich, dass ich begeistert drauf los lachen musste. Martin und auch Anna, die sich solange Martin erzählte an eine Tischkante hingesetzt hatte, lachten mit mir.
.....– Natürlich nicht sofort – Martin war überaus erheitert – aber nach vielen Testversuchen und nach dem man die Physik so mancher weiterer Dimensionen, in denen man sich kurzzeitig bewegen kann, erforscht hat, ist diese Option durchaus nicht auszuschließen.
.....Er ging zum Tisch auf dem Anna saß und nahm sich einpaar gedruckte Blätter von einem großen Papierstapel. Er fing an darin zu lesen und fragte mich ohne sich dabei umzudrehen
.....– Was glaubst du, Gregor, wie lange der IdWafeg schon existiert?
.....Ich sah mir den großen Papierstapel an. Auf den anderen Tischen war noch viel mehr davon zu finden
.....– ...wahrscheinlich, schon sehr lange, nichtwahr?
.....– Knapp über fünfzehn Jahre, um genau zu sein. Das ist für einen so bahnbrechenden Prototyp eine relativ lange Zeitspanne. Und die ganze Zeit über haben Annas Eltern mit dem IdWafeg experimentiert. Sie schickten erst sehr kleine Objekte hindurch, dann immer größere. Die Reichweite und Präzision des Tunnelsprunges ließ sich auch immer weiter optimieren und erweitern. Irgendwann waren sie in der Lage, einen Spiegel auf den Mond zu befördern und sich anschließend durch eine Laserreflexion zu vergewissern, dass der Spiegel sehr exakt angekommen war. Eine kurze Zeit später ist es ihnen gelungen, Objekte weit hinter die Grenzen unseres Sonnensystems zu transportieren.
.....Er erzählte und blätterte in den vielen Zetteln. Anna hörte ihm mit geschlossenen Augen und einem glücklichen Lächeln zu. Je mehr ich hörte, desto mehr durchdrang mich die Betrunkenheit des fantastischen. Martin hatte aber noch längst nicht alles erzählt
.....– Etwa vor sieben Jahren haben Annas Eltern angefangen, die Planeten von anderen weit entfernten Sonnensystemen zu untersuchen. Die Ansteuerung von massereichen Objekten ist mit dem IdWafeg gar nicht so kompliziert, da die Gravitationskraft sich bedingt auch in andere Raumdimensionen ausbreitet. Man konnte also viel kleinere und stark vereinfachte IdWafeg Sonden zu weit entfernten Raumkörpern schicken. Diese Sonden waren so programmiert, dass sie sich selbst, einen kurzen Moment später, wieder auf die Erde zurück befördern würden. Dabei brachten sie Grund- und Gesteinproben, oder Atmosphärengase der anderen Planeten mit sich. Die Auswertung dieser Proben und überhaupt der Abtastvorgang des Alls nach immer neuen Raumkörpern konnte langsam automatisiert werden und wurde schließlich gänzlich von dem Computer übernommen. So konnten Täglich mehrere Tausende Planeten besucht und ausgewertet werden, und das ganz ohne des Zutuns eines Menschen.
.....Anna machte die Augen auf und schaute erst zu Martin und dann zu mir. Sie wirkte unglaublich zufrieden und, obwohl sie die ganze Geschichte schon kannte, war sie von Martins Erzählung wie in eine Art Trance versetzt. Er konnte aber auch gut reden, das war nicht zu verneinen.
.....– Vor etwa drei Jahren geschah etwas, was wohl unvermeidlich irgendwann geschehen musste. – Martin legte die Blätter zurück auf den Tisch, ging zum nächsten Stapel und nahm sich von oben einen anderen Zettel – Zu der Zeit wurden schon mehr als acht Millionen Planeten untersucht, doch sie alle waren zu nichts zu gebrauchen. Ein neuer, gerade entdeckter Planet erwies sich aber als außerordentlich interessant. Seine Atmosphäre unterschied sich nur um fünf Prozent von der Erdatmosphäre und diese Abweichung bestand lediglich in den Konzentrationsunterschieden der einzelnen Gase. Wasser- und Gesteinproben konnten erhalten werden, von denen man auf eine erd-ähnliche, mäßige Gravitation schließen konnte, und die Oberflächentemperatur von verschiedenen Regionen des Planeten schwankte zwischen minus zwanzig und plus fünfundvierzig Grad Celsius. Allen Anschein nach war der Planet für eine mögliche Menschenbesiedlung also nahezu maßgeschneidert. Annas Eltern waren so von den Ergebnissen beeindruckt, dass sie eine größere IdWafeg Sonde bauten und sie auf den Planeten schickten um Expeditionen dorthin unternehmen zu können. Sie sind natürlich sehr vorsichtig vorgegangen. Die Vorbereitungen waren gründlich und das ganze Unterfangen drei mal abgesichert. Letztendlich kam der Tag, an dem Annas Eltern sich selbst anhand des IdWafeg hinüber transportierten und den Planeten besuchten. Wie erwartet stellte sich heraus, dass der Planet vegetierte und von einer Vielzahl an Lebensformen bewohnt war. Annas Vater beschrieb die von ihm sogenannte zweite Erde in seinen Berichten als ein grünes Paradies, zwar mit einer ganz gewöhnlichen Sonne, dafür aber mit drei Monden am Sternenhimmel. Die Expeditionen wurden immer häufiger und dauerten immer länger. So verbrachten Annas Eltern manchmal ganze Wochen Tausende von Lichtjahren von Zuhause entfernt. Und schließlich machten sie auf dem Planeten eine Entdeckung, die alles bisher gesagte in den Schatten stellt...
.....Martin machte eine kleine Pause um den spannenden Moment auszukosten, als ob alles was er bisher schon gesagt hatte noch nicht verrückt genug wäre, das man ihn wohl in ein Irrenhaus einweisen würde, wenn er es auf der Straße erzählte.
.....– Als Annas Eltern auf ihren Reisen aus dem Dschungel heraus kamen, fanden sie eine Zivilisation vor. Sie war zwar nicht sehr hoch entwickelt, aber etwa die Elektrizität war in ihr schon bekannt. Im Grunde hinkte dort die technische Entwicklung der unseren etwa um einhundert Jahre nach...
.....Anna, die ihren Blick immer noch nicht von mir abwand, konnte nicht mehr schweigen und unterbrach Martins Redefluss
.....– Gregor, da leben Menschen! – ihre Augen leuchteten förmlich vor Begeisterung – Das ist unglaublich, aber ihre genetische Struktur weicht nur um acht Prozent von der unseren ab! Damit sieht man, dass die Natur in allen Ecken des Universums wohl ähnlich ticken muss. Das beste aber, ist ihre Gesellschaftsstruktur. Die Berichte meines Vaters beschreiben sie zwar als ein feudales System, welches sich aber grundlegend von allen unserer Geschichte bekannten Herrschaftssystemen unterscheidet. Macht und Ansehen gewinnt dort derjenige, wer es durch seine Bemühungen schafft, der Gesellschaft am meisten Nutzen und Befriedigung zu bringen. Darin besteht der Konkurrenzgedanke. Die Macht eines Herrschers basiert also auf dem Dank und Verpflichtungsgefühl des Volkes. Korruption, Kriminalität und Gewalt sind dort förmlich unexistent, da keine genetische Veranlagung dazu besteht. Ihre Sprache weist sogar keine dafür bezeichnenden Worte auf. Uns mag diese neue Welt vielleicht auf den ersten Blick als eine Art unmöglicher Utopie erscheinen, aber für die Menschen dort ist es die normalste und typischste Lebensart von allen. Sie kennen und wollen nichts anderes. Gregor, das ist die Alternative die uns gegeben ist! Wir sind die ersten Menschen auf der Erde, die jemals eine solche Wahl gekriegt haben. Und, wie gesagt, dort herrscht die Tugend! Ich für meinen Teil bin sofort bereit die Erde für immer zu verlassen! Gregor, bitte, denk darüber nach.
.....Sie schaute mich erwartungsvoll an.
.....Die Option, in eine andere Welt umzusiedeln, war herrlich beknackt. Irgendwo im Unterbewusstsein hatte ich immer noch Probleme damit, die bloße Existenz des IdWafeg überhaupt anzuerkennen, geschweige denn sich eine zweite Erde mit drei Monden vorstellen zu können. An diesem Tag ging alles viel zu schnell. Ich brauchte wohl etwas Zeit. Die Stumpfheit im Kopf überstieg alle Grenzen, aber ich musste etwas sagen
.....– Na ja, ich weiß nicht... Wart ihr denn schon mal dort? Haben deine Eltern euch beide schon mal dahin mitgenommen? Man kauft ja ungern eine Katze im Sack. Habt ihr es euch mit eigenen Augen angeschaut?
.....Martin gab eine zögerliche Antwort
.....– ...Nein, wir sind noch nicht dorthin gereist. Das Problem ist, dass ihre Eltern einen Sicherheitsmechanismus in den IdWafeg eingebaut haben. Weißt du, durch diese Sicherheitsvorkehrung kann bei weitem nicht jeder Mensch den Tunnelsprung zur zweiten Erde antreten. Es muss eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein.
.....– Bedingungen? Was für Bedingungen?
.....– Na ja, zum Beispiel ist der IdWafeg so programmiert, dass stets nicht mehr und nicht weniger als zwei Personen, unbedingt unterschiedlichen Geschlechts, gleichzeitig für den Transport registriert werden müssen. Zusätzlich werden beide vor dem Startimpuls gescant. Dabei wird ihr Hormonhaushalt aufgezeichnet und mit den, in der Datenbank vorhandenen, vorgegebenen Werten verglichen. Damit wird sichergestellt, dass kein Mensch etwa mit einer unpassenden Einstellung, böswilligen Absichten, oder Genen, die für die Bevölkerung der zweiten Erde verderblich wären, dorthin gelangen kann. Anna hat mit mir schon mehrmals versucht, heimlich von ihren Eltern, den Tunnelsprung anzutreten, aber es ist bis jetzt immer gescheitert. Wir konnten nie durch die Absperrung durch, deswegen kann ich dir auch nicht genau sagen, was dich auf der anderen Seite erwartet.
.....Der IdWafeg war durch ein Sicherheitsmechanismus verriegelt und die beiden versuchten heimlich hindurchzukommen? Martin und Anna haben sich wohl die ganze Zeit über ohne der Erlaubnis ihrer Eltern in den Keller geschlichen. Das war mir etwas unverständlich
.....– Warte mal Martin. Warum macht ihr das denn heimlich? Ich glaube ihr hättet Annas Eltern nur fragen sollen und sie hätten euch schon irgendwie zur Exkursion auf den anderen Planeten mitgenommen. Überhaupt denke ich, dass sie Verständnis dafür hätten, wenn wir uns eine Zeit lang in der anderen Welt aufhalten und diese erst einmal kennen lernen würden. Wir können ihnen ja versprechen, uns von einer Verbreitung unserer Gene während des Aufenthalts auf der zweiten Erde zu enthalten. Wie ich das verstanden habe, können wir uns dann noch entscheiden, ob wir zur Erde zurückkehren, oder lieber dort bleiben wollen. Und böswillig sind wir ja nicht eingestellt. Ja im Ernst, warum fragen wir sie nicht einfach? Das ist doch viel schlauer und einfacher, als mit dem Kopf durch die Wand zu versuchen, einen Sicherheitsmechanismus zu überlisten. Wenn ihr wollt, frage ich sie für euch. Anna, wann kommen deine Eltern nach hause?
.....Es entstand eine schwere unverständliche Pause. Anna schaute weg und von Martins Gesicht wurde das Lächeln förmlich weggeblasen. Ich habe wohl etwas falsches gesagt, aber ich verstand nicht was es sein könnte. Anna rührte sich plötzlich von der Stelle und lief, mit immer schneller werdenden Schritten, an mir vorbei aus dem Keller hinaus.
.....– Damare, Baka daro! – zischte Martin mir zu, sobald die Tür hinter ihr zuknallte – Kannst du nicht ein Mal die Klappe halten?
.....– Was... habe ich denn...
.....– Hör mir jetzt bitte ganz genau zu. Ich möchte mich nicht wiederholen. – Martins Blick wurde verdammt ernst – Es geht darum, was ich Anna heute morgen erzählen musste. Diese Information ist streng vertraulich, aber angesichts der Tatsache, dass du voraussichtlich in knapp einer halben Stunde diesen Planeten für immer verlassen wirst, kann ich wohl eine Ausnahme machen. Ich glaube, dass du mittlerweile auch ein Recht dazu hast, es zu erfahren. Versprichst du mir, nicht drauf los zu schreien, sondern die Tatsache einfach anzuerkennen?
.....Ich nickte entschieden. Martin maß mich mit seinem Blick und sprach weiter
.....– Annas Eltern sind gestern Abend etwa um 23:17 unter noch unbekannten Umständen ums Leben gekommen.
.....Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Martin gab mir keine Chance mich zu erholen
.....– Stell keine Fragen. Ich erzähle dir selbst alles was du wissen darfst. Annas Eltern Hatten schon vor langer Zeit einen Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen meines Vaters abgeschlossen. Solche Verträge sind nur in Ausnahmefällen und unter besonderer Finanzierung möglich. Wenn ein Kunde sich der Gefährdung seines Lebens sicher ist und seinen nahe bevorstehenden Tod geheim halten will, kann er eine Überwachung seiner Lebenszeichen beantragen. Wenn der Tod eintreten sollte, schickt ein implantierter Sender einen Signal aus. Anhand des Signals wird der tote Körper, oder seine Überreste, umgehend gefunden und unter strengster Geheimhaltung beerdigt. Nur die, von dem Kunden selbst, vorher angegebenen Personen werden von seinem Tod informiert. Sonst verlässt keine auch nur kleinste Information das Bestattungsunternehmen. Sogar die Staatsexekutive erfährt nichts von dem Geschehenen. Sollte nach einer gewissen Zeit das Verschwinden der Person von anderen Menschen registriert werden, so wird die Person als vermisst gemeldet, aber die Tatsache, dass der Kunde aus dem Leben geschieden ist, wird nie öffentlich bestätigt und das genaue Todesdatum bleibt für immer geheim. Dieses Vorgehen ist in sofern sinnvoll, als dass die Attentäter sich meistens, nach einem ausgeübten Anschlag, über die Medien von dem tatsächlichen Tod ihres Opfers vergewissern. Wenn eine solche Information in den Nachrichten aber ausbleibt, dann hat es eine verwirrende Wirkung und kann zum Beispiel den Angehörigen des Kunden, die womöglich auch in Gefahr sein könnten, etwas Zeit zum Handeln verschaffen. Annas Eltern sind in der Wissenschaft sehr bedeutende Menschen gewesen. Sie waren auch in der Wirtschaft an vielen Geldoperationen beteiligt. Nur so konnten sie das IdWafeg Projekt die ganzen Jahre lang privat finanzieren. Sie hatten mit ihren Erfolgen wohl manchen einflussreichen Menschen den Weg überkreuzt und haben sich so einige Feinde gemacht. Deswegen nahmen sie, der Gefahr bewusst, die Dienste unseres Familienunternehmens in Anspruch. Es ist auch durchaus möglich, dass die Information von der Existenz des IdWafeg irgendwann durch die Wände dieses Hauses hinaus gesickert ist und man seine Besitzer letztendlich einfach aus dem Weg geräumt hat, um an das Gerät heranzukommen. Tatsache ist, dass gestern Abend zwei Signale bei uns eingegangen sind, die den Tod von Annas Eltern angaben. Und Anna ist die einzige auf der Liste der zu informierenden Personen gewesen...
.....Er hörte abrupt auf zu sprechen, um mir zu verdeutlichen, dass dies wohl alles war, was ich erfahren sollte. Schon wieder hatte Martin viel zu ernst gesprochen, als dass es eine Lüge sein könnte. Ich hätte natürlich auch nie angenommen, dass er über so etwas lügen würde. Er sagte die Wahrheit.
.....Ich setzte mich in einen nahestehenden Computersessel, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und vergrub das Gesicht in meinen Händen. Mein Kopf widersetzte sich heftig, das zuletzt Gehörte zu realisieren. Zu viele Informationen überfluteten an diesem Tag meinen Verstand. Ich musste alles daran setzten, mich zum Nachdenken zu bewegen. Das gelang mir nur mit größter Mühe.
.....Annas Eltern waren tot. Nein. Sie waren ermordet! Getötet, von niemand anderem, als den habgierigen brutalen Erdenmenschen, die Anna so sehr verachtete. Ich wollte, konnte aber nicht den ganzen Ausmaß an empört verbittertem erwürgendem Schmerz nachvollziehen, den Anna durchlebt haben muss und wohl bis jetzt immer noch spürte. Ich konnte auf einmal deutlich sehen, dass die Erde für Anna nun der schlimmste Ort auf der Welt sein musste. Ein Planet, bevölkert von sozialem Abschaum, der nicht einmal für seine Verdorbenheit verurteilt werden konnte. Die genetische Unverbesserlichkeit der Menschheit machte sie in meinen Augen umso verachtenswürdiger. Ich war mir sicher, Annas Zukunft konnte jetzt nur noch einen einzigen Weg gehen. Sie durfte nicht länger hier bleiben. Sie würde daran verwelken und zugrunde gehen. Sie musste diesen Planeten verlassen.
.....Ich stand wieder auf und trocknete meine komischer Weise nass gewordenen Hände an der Hose ab. Martin schaute mich fragend an.
.....– Ich tue es... – mein Entschluss war gefasst – Ich bringe sie hier weg.
.....– Wakata... – Martin ging zu den Tastaturen und Monitoren hinüber und fing an etwas darin einzutippen. Ich folgte ihm und sah seinem Treiben eine Zeit lang zu. Er ging mit dem komplizierten Kontrollpaneel mit einer solchen Leichtigkeit und Vertrautheit um, als wenn es sein hauteigener Hauscomputer wäre.
.....– Hey, Martin.
.....– Nanda yo?
.....– Woher weißt du, dass ich diese japanische Wörtchen verstehe?
.....– Das ist ganz einfach, – er lächelte mir zu und tippte weiter – du schaust dir japanische Animationsfilme an. Ich habe nur genau den Wortschatz benutzt, den man in diesen Animes aufschnappen könnte.
.....– Jah, logisch. – ich musste daran denken, dass wir uns mit den Kumpels in der Schule während der Pausen immer über Animes ausgetauscht haben. Martin hat das wohl mitgekriegt und es sich vermerkt.
.....– Und, woher kennst du diese japanischen Wörtchen?
.....– Oh, das ist noch einfacher! – er lachte sich ins Fäustchen – Ich schaue mir nämlich genau die selben Animes an.
.....Ich musste auch lachen. Nach all dem war Martin wohl doch nur ein ganz gewöhnlicher Teenager. Zwar mit etwas mehr Grips im Kopf, aber immerhin.
.....– Hey, Martin, willst du einen guten Tipp?
.....– Schieß los.
.....– Trainiere dir Muskel an und such dir eine nette Freundin.
.....– Urusai yo... – er lächelte verlegen und drückte eine letzte Taste auf der Tastatur. Das Licht der Projektoren an der Pentakelfläche verstärkte sich und wurde noch greller – Es ist Zeit. Anna kommt gleich.
.....Ich nickte ihm zu und ging um die Tische herum auf die Pentakelfläche. Das grelle Licht der Projektoren kribbelte auf der Haut, oder war es nur die Nervosität? In meinem Bewusstsein war ich aber ruhig und entschieden. Ich hoffte nur, dass es uns gelingen würde durch die Sicherheitsvorkehrung des IdWafeg zu kommen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert und von ihm hing alles ab. Die Kellertür öffnete sich.
[Das Lied „Why“ von Ayaka setzt ein.] (Rechtsklick & Im neuen Fenster Öffnen)
.....Anna kam wieder in den Raum hinein. Sie hatte nun ein weißes Kleid an und der leichte Stoff aus dem das Kleid bestand wallte in der Luft während sie langsam voranschritt. Als sie an Martins Tisch vorbei ging, sagte er leise
.....– Drei Minuten...
.....Sie folgte mir in das grelle Projektorlicht zur Mitte des Pentakelfeldes. Martin fing wieder an, etwas in seine Tastaturen zu hämmern. Annas Kleid leuchtete in dem, von allen Richtungen fließenden Licht wie ein Stern. Sie war nur noch einpaar schritte von mir entfernt und sprach
.....– Ich bin sehr glücklich, dass du dich dazu entschieden hast, Gregor.
.....Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. Sie kam immer näher und sprach leise und nachdenklich weiter
.....– Der IdWafeg wird uns gleich scannen und unsere Werte untersuchen. Dabei wird die genetische Struktur von uns beiden ermittelt, unsere allgemeinen Chartachtereigenschaften festgestellt und unser derzeitige Gefühlszustand ausgewertet.
.....Sie kam unglaublich nahe an mich ran. In wenigen Zentimetern Entfernung blickte sie mit ihren im Licht schimmernden, wunderschönen Augen zu den meinen hoch. Die Außenwelt war nun durch das Licht von uns abgetrennt. Ich sah nur noch ihre Augen und hörte nur noch ihre Stimme
.....– ...Insbesondere, wird der IdWafeg unsere Gefühle zueinander überprüfen... – sie schnappte nach Luft – Gregor... verstehst du... was das bedeutet...
.....Ich war mir nicht sicher, ob ich verstand. Mein Handeln war nicht mehr auf mein Bewusstsein angewiesen. Instinktiv umarmten meine Arme Annas Taille und drückten sie an mich. Der Boden entwich mir unter den Füßen und ihr Körper erhob sich mit dem meinen schwerelos in die Luft. Unsere Blicke kamen sich immer näher. Als im nächsten Augenblick meine Lippen die ihren berührten, schien eine Explosionswelle das Pentakelfeld und jede unsere Zelle zu durchfahren. Danach hüllte sich die gesamte Welt in grell weißes Licht...

[Es bleibt grell weiß bis das Lied zuende ausklingt.
Man sieht nur, wie weiße Federn langsam durch das Licht von oben nach unten vorbeisegeln.
Der Ursprung dieser Federn bleibt für immer unbekannt.]


Fejwin, 18.05.2008

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Rotfüchschen
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: So Mai 18, 2008 21:29 
alsoo, ich hab mir das ganze jetzt mal durchgelesen,

mir gefällt das eigentlich ziemlich gut.
Ich fang mal mit dem Positiven an ( wenn ich den sinn dieses Formus richtig verstanden hab, geht es ums kritisieren, wer auch immer meinen alten Beitrag gelöscht hat, nehme bitte zu kenntniss, dass ich grad dabei war, ihn zu editieren, als er lötzlich weg war^^ )

Was mir gut gefällt ist, auf der einen seite sprichts zdu zum Beispiel den Leser direkt an, da fühlt man sich ins Geschehen integriert, was mich persönlich zum Lesen animiert hat. Am Anfang war es interessant, dann gab es einen etwas langweiligeren mittelteil ( relativ zum ersten Teil, also eig nicht wirklich langweilig, sondern die spannung nimmt ab, da hättest du eher durch schlne Formuliereungen glänzen können )
Ab der Mitte wird es wirklich sehr interessant un ich für meinen Teil habe gespannt den Ausführungen der CHaraktere gelauscht.
Allein schon die Erklarungen von Martin setzen hohes Fachliches Wissen vorraus und ich sehe, dass du dich wahrscheinlich ne Zeit lang ( in der Schule ) oder Hobbymäßig oder sogar per Beruf mit den in deiner Geschichte aufgeführten Themen beschäftigt habe.
Du hast es durch gutes Erklären geschafft, dass man die Ausführungen dann auch versteht
...mitst, meine mutter nervt mich, ich muss mich beeilen, ich editier dann morgen...
ich persönlich hab alles verstanden obwohl ich auch schon vorwissen hatte.
Die Story ist wie schon erwähtn gut durchdacht, ein paar( klitzekleine Logikfehler )aber ansonsten Makellos!
Jez eingeklammert weil ich mir da denke, dass das so ein bisscehn komsich rüberkommt
Joo,. also die Charaktere sind gut, vielleicht solltest du aber noch ein paar andere SChüler beschreiben, da in deiner Geschichte ziemlich wenige Nebencharaktere vorkommen, das würde dem ganzen noch etwas mehr leben und komplexität verleihen,
An sich find ich die idee mit dem Japanisch ziemlich gut un einfallsreich,
Du setzt gezielt Phrasen, die Fragen aufwerfen un den Leser weiterlesen lassen :)

Nun mir fällt sicher morgen noch mehr ein

Negativ war eig sehr wenig, bis auf ein paar fragwürdige Zeitenverwendungen un ein oder 2 Tippfeher ( die Kreide ich lieber net an, da ich selber haufenweise von denen produziere ^^ )
An sonsten halt wie gesagt ein paar charaktere wären meiner Meinung nach gut,
vielleicht minimal mehr beschreiben, dass du alles in Gedanken durchgehst, was der Hauptdarsteller sieht, ist gut, aber du könntest es noch mehr beschreiben, um positiven oder negatoven Charakter in der Geschichte noch ehr hervorzuheben, meinetwegen dass du das Hochhaus etwas mehr beschreibst, da so der "Alte ERinnerungenCharakter" noch mehr zur Geltung kommt.

Interpretiren will ich net, wenn du dir bei der GEschichte was gedacht hast, sag es , dann hol ich das nach,
Eine Sache noch: Ich hab das mit den Einspielungen nicht so ganz gerafft.
Mir hat die Idee echt gut gefallen, aber da stellt sich die Frage: Hast du das gemacht, um es jetzt für uns authentischer wirken zu lassen oder was soll das sein ? Theaterstück is schlecht, da bröucht man regieanweisungen un weniger gedanken, da man die ja net erzählen kann, un wenn das nur ne geschichte is un du die mal drucken willst, kannst ud schlecht die songs da reinsetzten,
nbur höhrbuch wäre für mich pkausibel
Das is eig die einzige Frage, die ich an dich hab....

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass du denk ich mal viel arbeit investierst hast, di hat sich aber meiner Meinung nach voll und ganz gelohnt und das Ergeiss kann sich sehen lassen und muss sich nicht verstekcen!!!

:) Wenn sie weitergeht, poste mal den rest

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Meine Lieblingsstuecke^^:

http://www.youtube.com/watch?v=oqSulR9Fymg ( würdich gern spielen können, lern ich aber grad erst )

http://www.youtube.com/watch?v=m82ia4FJcBs ( das Spiel ich schon, aber die INterpretaton da bin nat net ich )

Mein Spiel:

- hat noch keinen Namen
- hat auch keine Website


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Gnu-Hirte
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: So Mai 18, 2008 22:08 
Vielen Dank für dein Kommentar alterpenner! ^^
Es freut mich, dass die Geschichte dir gefallen hat.
Du hast ganz recht, ich hab auch einwenig das Gefühl, dass Nebencharaktere etwas zu wenig zur Geltung kommen.
Dass mir jemand sagt, ich solle noch detalierter beschreiben, hätte ich nicht gedacht. Lange Beschreibungen kommen generell ja eher negativ an, oder? Gut ich vermerke mir dies. Mehr beschreiben.

Zu deiner Frage:
Die Musikeinlage ist nur für den digitalen Leser vorgesehen. Wer das in gedruckter Fassung liest, muss sich wohl die Musik selbst dazu raussuchen.
Aber es ist nicht geplant die Geschichte zu drucken und ich denke, dass das Lesen in Zukunft ehe irgendwann mal nur noch digital sein wird.
Demnach lauf ich damit nur dem Progress vor. ^^

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Yoji
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Mo Mai 19, 2008 0:59 
Erst das Positive:
Ab der Mitte des Textes, also ungefähr ab dann, wo deine (natur)wissenschaftlichen Überlegungen losgehen, wird es spannend. Es macht Spaß zu lesen und deinen Schilderungen zu lauschen. Generell muss man einfach sagen, dass dein Stil ungemein gut und fesselnd ist, allerdings einige Mankos aufweist, zu denen ich später kommen werde. Die Handlung geht an sich in Ordnung, zumindest am wissenschaftlichen Teil deiner Erzählung habe ich nichts auszusetzen. Du schilderst sehr klug, durchdacht und relativ logisch den Gefühlszustand der Hauptcharaktere gegenüber der Welt, in der sie leben. Durch die vielen Fakten, die du nennst, untermauerst du die Motivation der Protagonisten, zumindest die von Anna und teilweise auch von Martin. Der Stil insgesamt erinnerte mich an Frank Schätzings "Der Schwarm" und dessen Lektüre fand ich genial. Das kannst du als großes Kompliment auffassen.

Zum negativen Teil:
Wenn ich den Beginn deiner Erzählung bis zum (natur)wissenschaftlichen Teil mit einem Wort beschreiben müsste, so würde ich es wie folgt tun: Schnulze! Schnulzeschnulzeschnulzeschnulze und das im ungemein negativsten Sinne, den es gibt. Deine Schilderungen zu Beginn waren langweilig, viel zu langatmig, unzureichend motiviert und unplausibel. Also: (a) Scheiß auf eine ausführlichere Beschreibung der Nebencharaktere. Sie sind unbedeutend und spielen im direkten Kontext zur Erzählung keine zentrale Rolle. So wie es jetzt ist, ist es gut. (b) Bestimmte Beschreibungen von dir waren einfach zu lang. Sie haben den Lauf der Handlung ungemein gebremmst. Dies lag imo daran, dass du zu ausführlich wurdest und deine alles andere als kurzen und Spannung erzeugenden Sätze zu schwerfällig auf der Entwicklung des eigentlichen Geschehens lasteten. Eine direkte Lösung für das Problem hab ich nicht, außer die Anwendung von kurzen Sätzen. Dazu müsstest du allerdings deinen kompletten Schreibstil den kurzen Sätzen anpassen. Ob das sinnvoll ist, musst du selber wissen. Ich lass das jetzt so im Raum stehen. (c) Und nun zum wohl schwerwiegendsten Fehler, den du gemacht hast und der die ganze Zeit bis zu den wissenschaftlichen Schilderungen hin, die davon (endlich!!) abgelenken, es aber nicht endgültig auszumerzen vermögen, über der Erzählung hängt. Der Ich-Erzähler, der absolute Protagonist hat keinerlei Persönlichkeit, keinerlei Selbstbewusstsein, überhaupt kein EGO und nahezu keinerlei Existenz. Anfangs schon, als er verschläft und gewisse Konflikte schildert, die ihm ein kleines Profil verleihen, die dann allerdings im Nichts verpuffen. Er hat verschlafen, schulische Probleme und ist nett und lieb und hört allen Schülern gerne zu und hilft ihnen genau so gerne bei deren Problemen. Mehr ist da nicht bei ihm; das ist alles was ihn ausmacht und das ist einfach viel, viel, viel zu wenig. Er ist nicht mehr als eine Karikatur. So können Nebenfiguren aufgebaut sein, nicht aber Protagonisten, geschweige denn Ich-Erzähler. Sogar Dr. Watson in den Sherlock-Holmes-Geschichten hatte viel mehr zu bieten, als Gregor in deiner Erzählung und selbst bei Conan Doyle fand ich es grausam!! Am besten gefiel mir Martin, zu Beginn noch mehr als dann später, weil er die erste Person in deiner Erzählung ist, die eine feste Persönlichkeit besitzt, dessen Intelligenz annehmbar ist, die du allerdings durch seine Erklärungsversuche gegenüber den Gefühlen zu Anna ankratzt. Nach der Hochhausszene mit den drei Protagonisten hast du Martins Profil leicht zerstört und später dann, als du dich den wissenschaftlichen Schilderungen widmest, kommt mir Martin wie eine Maschine vor, die seinen Job macht und über keinerlei Gefühlsregung verfügt. Anna hat einen soliden Charakter. Sie ist annehmbar, vielleicht noch annehmbarer als Martin. Jetzt hab ich zu schwafeln angefangen. Sorry. Zurück zu Gregor: Ich zeige dir jetzt eine Szene, die seine Fehler deutlich aufzeigt:
Sam Gav hat geschrieben:
Annas Eltern waren tot. Nein. Sie waren ermordet! Getötet, von niemand anderem, als den habgierigen brutalen Erdenmenschen, die Anna so sehr verachtete. Ich wollte, konnte aber nicht den ganzen Ausmaß an empört verbittertem erwürgendem Schmerz nachvollziehen, den Anna durchlebt haben muss und wohl bis jetzt immer noch spürte. Ich konnte auf einmal deutlich sehen, dass die Erde für Anna nun der schlimmste Ort auf der Welt sein musste. Ein Planet, bevölkert von sozialem Abschaum, der nicht einmal für seine Verdorbenheit verurteilt werden konnte. Die genetische Unverbesserlichkeit der Menschheit machte sie in meinen Augen umso verachtenswürdiger. Ich war mir sicher, Annas Zukunft konnte jetzt nur noch einen einzigen Weg gehen. Sie durfte nicht länger hier bleiben. Sie würde daran verwelken und zugrunde gehen. Sie musste diesen Planeten verlassen.
.....Ich stand wieder auf und trocknete meine komischer Weise nass gewordenen Hände an der Hose ab. Martin schaute mich fragend an.
.....– Ich tue es... – mein Entschluss war gefasst – Ich bringe sie hier weg.

Das ganze wirkt nicht nur schnulzig, weil der Protagonist scheinbar in einer Friede-Freude-Eierkuchen-Welt lebt. Es kommt vor allem die Persönlichkeitslosigkeit von Gregor deutlich zum Vorschein. Hat er kein eigenes Leben? Hobbys? Liebt er überhaupt etwas auf der Welt, außer Anna? Wenn er ein offenes Ohr für die Menschen hat, so muss er sie lieben, warum bleibt er dann also nicht auf der Welt, die mehr zu bieten hat als eine einzige Anna (die Argumente von Martin und Anna alleine reichen nicht aus, um eine Meinung eines Menschen innerhalb weniger Minuten fundamental zu verändern!!!)? Wie wird's wohl seinen Eltern gehen? Werden sie ihn als vermisst melden? (Wenn du die Mutter anfangs nicht erwähnt hättest, würde ich die Eltern außen vor lassen. du hast aber ein Familienleben aufgezeigt, also musst du es auch rechtfertigen!)
Du merkst wohl, worauf ich hinaus möchte.

Nun möchte ich noch einige Dinge an meiner Kritik ein ganz kleines bisschen relativieren, aber nicht komplett ausmerzen. Gewisse Fehler gehen in Ordnung, weil du die Handlung voran treiben musstest. Ich habe gemerkt, dass nicht die Handlung, sondern der wissenschaftliche Teil im Vordergrund stand, weshalb du er diesen aufgebaut hast und die Handlung dann darum herum konstruiert hast. Das geht auch in Ordnung, falls das stimmt. Beispielsweise kann ich verstehen, warum Gregor Anna helfen möchte, warum er zum Hochhaus gehen möchte, wo er Martin trifft, etc.. Das treibt die Handlung voran. Aber Gregor lässt sich von allen Dingen in der Handlung viel zu leicht beeinflussen. Er kämpft beispielsweise kaum dagegen an, dass Martin und Anna die Menschen kritisieren. Er verfährt ála: das, was die beiden sagen, stimmt schon irgendwie, also denk ich das jetzt auch mal. Fertig! Mein oben angegebenes Beispiel zeigt dies deutlich genug auf.

Und als Schlusswort der ungemein schnulzigste Satz, den ich in deiner Erzählung aufgeschnappt habe, zu dem ich richtig laut gelacht habe und bei dem ich den Kopf schütteln musste, weil er so ungemein schnulzig ist wie eine schlechte Hollywood-Oper:

Zitat:
Ich konnte ihre verbitterte Machtlosigkeit förmlich spüren. Es war nicht gerecht, dass solche Menschen wie Martin und Anna in ihrem Leben so viel leiden mussten!

Der Protagonist ist ein ungemein leistungstarkes Sensibelchen... ;)
Solche Karikaturhaftigkeit zielt ins Lächerliche! --> ist mit Vorsicht zu genießen.

Ich hätte noch gerne mehr geschrieben, aber dazu fehlte mir erstens die Zeit und zweitens würde das den Rahmen sprengen. Das, was ich geschrieben habe, sollte ausreichen, um aufzuzeigen, was ich meine und worauf ich hinaus möchte!

Versteh mich nicht falsch; ich will dich nicht demoralisieren oder dergleichen. Ganz im Gegenteil. Du schreibst ungemein gut, hast eine brilliante Wortwahl, den naturwissenschaftliche Teil ist sehr, sehr professionell geschildert! und du hast einfach schriftstellerisches Talent in dir. Fasse meine Kritik bitte konstruktiv auf, auch wenn sie etwas barsch klingen mag. Ich mein's nur gut. =)

EDIT: ARGH!!! Beinahe vergessen zu erwähnen. Lies dir mal etwas philosophisch durch. Vielleicht etwas von Nietzsche (--> Übermensch??). Deine Erzählung ist sehr naturwissenschaftlich aufgebaut und hat nichts philosophisches zu bieten. Einige Philosophen unter uns könnte an deiner strikt naturwissenschaftlichen herangehensweise etwas auszusetzen haben, denn einige philosophische Aspekte könnten der Naturwissenschaft in deinem Werk den Hahn abdrehen. Es gibt nämlich auch Aspekte, die die Perspektive vom Menschen in der Erzählung vernichten. Sei gegen so etwas gewappnet. =) Fehlende Philosophie ist vielleicht ein weiteres Manko... ^^

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Gnu-Hirte
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Mo Mai 19, 2008 9:19 
zophrenik, vielen Dank für dein Kommentar! ^^
Da sehen wir es. Der eine verlangt mehr detalierte Beschreibungen und Nebencharaktere, der andere "scheißt" auf sie.
Da muss ich glatt denken, dass es so am besten ist, wie es jetzt ist.
Meinen Schreibstil lobst du nur, das ist angenehm! :)

Dass Gregor, ein zu leicht beeinflussbares, zu emotionales Sensibelchen ist, das stets aus einer Gefühlschwankung heraus handelt, ohne die Konsequenzen zu bedenken, hast du ganz gut herausgestellt. Demnach ist es mir wohl sehr gut gelungen, seinen Charakter so zu zeichnen, wie ich es vorhatte. Beeinflussbarkeit ist ja auch ein legitimer Charakterzug, nicht wahr?

Martin und Anna schildern Gregor nur Fakten (die zumindest in ihrer Welt so gelten). Deswegen hat er keine möglichkeit es anzufächten.
Wie könnte man mit einer eigenen Meinung gegen Fakten vorgehen?
Und Gregor hat keinen Grund anzunehmen, dass die beiden ihn anlügen würden.

Philosophie ist Vermutung ^^ Es geht in der Geschichte um Naturwissenschaft.

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Yoji
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Mo Mai 19, 2008 11:43 
Sam Gav hat geschrieben:
Wie könnte man mit einer eigenen Meinung gegen Fakten vorgehen?

Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Mutter Theresa, Dalai Lama und wie sie alle heißen. Das, was Anna und Martin wollen, ist Flucht. Sie fliehen vor ihrer Verantwortung, weil sie damit nicht fertig werden, weil sie schwache Charaktere sind. Fakten sind zwar Fakten, aber nicht jedes Faktum hat auch für jeden eine Bedeutung. Wo viel Hass ist, da ist auch Liebe. Und inmitten von Hass kommt Liebe erst richtig zur Geltung, erst dort erhält sie eine essentielle Bedeutung. Das Leben zeichnet viel mehr aus als die Dinge, die Anna und Martin erwähnen. ;)

Stell dir einfach vor, jemand würde auf all die Fakten, die die beiden nennen, einfach mit "na und?" antworten. "So ist die Welt nunmal." Wie würden Anna und Martin darauf reagieren? Würden sie ihn sofort als Stümper outen? Dieser jemand wäre für mich viel weniger Stümper als Gregor, der scheinbar kein Leben hat. Ich weiß ja nicht wie das die Anderen sehen, aber für mich ist Gregors Handeln einfach nicht glaubwürdig. Es trägt zwar zur Handlung bei, aber sie auf Kosten von Glaubwürdigkeit nach vorne zu treiben ist ein zu hoher Preis. Imo ist Glaubwürdigkeit eines der wichtigsten Gegenstände in der Literatur. Das hat nichts mit Realismus oder dergleichen zu tun, sondern mit Nachvollziehbarkeit. Findest du Gregors Handeln etwa nachvollziehbar? Ich tue es leider nicht. ;) Beeinflussbarkeit ist sicherlich ein legitimer Charakterzug, aber ein Mensch besteht nun mal aus mehr als nur einem Charakterzug und Gregor zeichnet lediglich seine Beeinflussbarkeit aus und diese ist nicht unbedingt positiv zu werten. In deiner Geschichte kommt sie aber irgendwie positiv rüber. ^^

Zitat:
Philosophie ist Vermutung ^^ Es geht in der Geschichte um Naturwissenschaft.

Die Philosophie ist der Gegenpol zur Naturwissenschaft. In der Philosophie geht es nicht um Fakten, sondern ums Verstehen. (Gregor kann beispielsweise das, was ihm gesagt wird, nachvollziehen, aber er versteht es nicht. Er handelt vollkommen ohne Verstand. Wenn Tom Cruise kommen und ihm von Scientology erzählen würde, Gregor würde wohl ohne zu zögern beitreten. Wenn die Zeugen Jehovas kommen würden, Gregor würde ohne zu zögern beitreten. Wenn man ihm eine Zeitung andrehen wollte, würde er ohne zu zögern annehmen. Verstehst du worauf ich hinaus möchte? Irgendwie komme ich immer auf Gregor zu sprechen. Ich kann mich mit ihm nicht anfreunden. ^^ Deshalb steht das jetzt in Klammern.)

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Gnu-Hirte
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Mo Mai 19, 2008 12:48 
Ja, du hast in Bezug auf Gregor durchaus recht. So ist er nunmal. Glaubt blauäugig fast alles was man ihm erzählt und würde sich die Stirn blutig schlagen, nur um das Leiden eines Nächsten zu mildern. Obs so naive Menschen wirklich gibt und dieser Charakter glaubwürdig wäre, ist eine andere Frage. Vielleicht leben ja auf der zweiten Erde, zu der er sich mit Anna aufgemacht hat, ja nur solche Menschen =)

Die Sache mit Fakten, scheint mir, habe ich nicht so verständlich rübergebracht. Kurz und knapp gesagt sollte herüberkommen, dass Anna und Martin nur deshalb die Flucht einschlagen, da sie zweifellos realisiert haben, dass die Menschen ihrer Welt unverbesserlich sind. Es gibt da kein wenn und aber und eben wie Anna gesagt hat "keine Umerziehung". Jägliche weitere Verbesserungsbestrebung wäre nutzlos und daher dumm. So die Faktenlage. ^^

EDIT:
Es ist klar, dass Anna und Martin in ihren Schilderungen die Verderbnis ihrer Welt nur ankratzen und das Leben vielschichtiger ist, als nur die Sachen die sie erwähnen. Das waren sozusagen nur Stichproben die ein grobes Profil umreisen sollten. Würde man an andere Lebensbereiche oder Situationen denken, dann könnte man sich die Umstände in ihrer Welt, verglichen mit den genannten Misständen, ähnlich verdorben vorstellen.

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Yoji
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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Mo Mai 19, 2008 20:03 
Alles ist deutlich genug rübergekommen (habe verstanden, worauf du hinaus möchtest), aber die Beweggründe sind imo nicht ausreichend genug. Gut, Martin kann ich verstehen, schließlich ist er ein Einzelgänger. Anna kann ich mit ach und krach ebenfalls verstehen; sie hat mit ihren Parties versucht (wie auch immer das mit "Parties" funktionieren soll) die Menschen zu "bekehren" gutes zu tun. Hat nicht funktioniert, deshalb will sie weg. Gregor hingegen tut das, was man ihm sagt. Mehr nicht. Das ist in meinen Augen nicht nachvollziehbar, es entzieht sich praktisch meiner Logik. Er scheint üerhaupt keine eigene Meinung zu haben und wenn, dann verteidigt er sie nicht ausreichend, sondern nimmt ohne großartige Reflexionen die der anderen an. Tut mir weh, ehrlich gesagt. Aber lassen wir das so stehen. Sonst diskutieren wir hier noch in einer Woche darüber, glaube ich. =)

_________________
He who binds to himself a joy
Does the winged life destroy
But he who kisses the joy as it flies
Lives in eternity’s sun rise

(Eternity, William Blake)


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 Betreff des Beitrags: Re: IdWafeg
BeitragVerfasst: Di Mai 20, 2008 18:28 
macht doch fun zu diskutieren^^

Es könnte ja auch sein, dass der Autor bewusst Gregor als Stereotyp nimmt für irgendeine Gruppe...

_________________
Meine Lieblingsstuecke^^:

http://www.youtube.com/watch?v=oqSulR9Fymg ( würdich gern spielen können, lern ich aber grad erst )

http://www.youtube.com/watch?v=m82ia4FJcBs ( das Spiel ich schon, aber die INterpretaton da bin nat net ich )

Mein Spiel:

- hat noch keinen Namen
- hat auch keine Website


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