Herzlich Willkommen,
gerne möchte ich euch meine Kurzgesichte "Erderwärmung 2.0" vorstellen:
Erderwärmung 2.0von Net-MMOMit meinem Ärmel wische ich ein kleines Häufchen Schnupftabak von dem hölzernen Esstisch und vernehme im nächsten Moment eine erwartungsvolle Moderatorenstimme aus dem Fernseher.
Ich frage mich, wie es dem Moderator stets aufs Neue gelingt mich mit seiner erwartungsfrohen Tonlage für die kommende Viertelstunde Comedy-Show in Begeisterung zu versetzen.
Jedenfalls haftet mein Blick an dem Moderator, der mit seinem blonden Kurzhaarschnitt direkt einer Klonefabrik für TV-Moderatorengesichter entsprungen sein könnte.
Während ich diesem Gedanken nachhing, tritt ein Komödiant auf die glitzernde Show-Bühne und tragt dem zahlreichen Studio-Publikum seine satirische Kandidaturrede für die anstehende Bundestagswahl vor.
Dem frenetischen Applaus des Publikums schließe ich mich an, obwohl mich der Komödiant über die Pointe im Unklaren ließ.
Ich muss darüber verbissen grinsen. Waren wir jetzt schon so weit, dass man bei dieser Art von Show-Format nur noch mit lachen kann wenn man über einen Hochschulabschluss verfügt, wie ihn meine Schwester innehat?
Ich stelle mir ihre schillernde Person mit überaus weiblichen Zügen vor, doch zu meinem Erstaunen sind meine Erinnerungen über ihr Aussehen stark verschwommen.
Plötzlich reißt mich die monotone Klingeltonmelodie meines Telefons aus der Lethargie.
„Jörg?“ schallt es aus der Hörmuschel.
Kurze Stille.
Zögerlich versuche ich in meiner Reaktion wiederzugeben, wen ich bei dieser sanften Stimme vermute: „Samira?! Hallo …“.
Was für ein Zufall denke ich bei mir.
Ein Jackpotgewinn wäre mir vor einigen Sekunden noch wahrscheinlicher erschienen, als ein Anruf meiner Schwester aus der Antarktis.
„Wie ist dein Befinden?“ erkundigt sie sich mit gespielter Neugierde.
Mit einer Brummbären-Stimme antworte ich wahrheitsgemäß: „Nun, es geht so“, ohne dabei zu vergessen mich meinerseits nach ihrem zu erkundigen.
Statt einer Antwort vernehme ich einen dumpfen Knall in der Leitung.
Mit großer Erleichterung nehme ich wenige Sekunden später – die mir wie eine Ewigkeit erscheinen - erneut ihre Stimme wahr.
„Jörg, hast du das eben auch gehört?“, erkundigt sich meine Schwester.
Ich bestätige dies mit einem gedehnten „Ja“.
Sie berichtet mir, dass ein hochgradig empfindliches Ortungsinstrument die Arbeit in der Forschungsstation am Südpol schon mehrmals zum Erliegen gebracht hätte.
Nach dem Knall sei an eine Wiederinbetriebnahme dieses GPS-Moduls nicht mehr zu denken, berichtet sie weiter.
Um mein Einfühlungsvermögen unter Beweis zu stellen, quittiere ich dies mit einem etwas zu lauten: „Unglaublich!“
Anders als erwartet fährt sie mit annähernd fröhlicher Stimme fort: „Diese Ausfälle wirbelten meinen Alltag schon oft gewaltig durcheinander. Es bot sich mir erstmals die Gelegenheit Zeit außerhalb der Forschungsstation zu verbringen und mich auf eine Tour durchs Eis zu unternehmen.“
Verdutzt über ihre Einstellung zur Arbeit, linse ich kurz auf den Flimmerkasten, der gerade in einer Dauerwerbesendung eine Kreuzfahrt für eine gutbetuchte Zielgruppe durch das Mittelmeer offeriert
Gelangweilt folge ich wieder der Erzählung meiner Schwester Samira:
„Die Wanderungen durch das arktische Eis haben mir dabei geholfen unsere Forschungsarbeiten aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Verrostete Schiffwracks, zu Grunde gehende Ölpumpen soweit das Auge reicht.“
Das sind die unerfreulichen Nebenwirkungen, die meine Arbeit als Polarforscherin mit sich bringen, die ich unter normalen Umständen nie zu Gesicht bekommen hätte.
Mit einer gewissen Gleichgültigkeit nehme ich diese Informationen zur Kenntnis und erkundige mich endlich nach dem Grund ihres Anrufs.
„Es war mir wichtig Jörg, dass ich dich mit meiner neuen Denkweise vertraut machen konnte, falls du dir die Fernsehreportage über meine Forschungsstation anschauen solltest.
Die Neugier, die gerade aufflammt, stille ich mit meiner Frage nach dem Ausstrahlungstermin der Reportage.
„Die Sendung startet in wenigen Sekunden auf dem 5. Kanal, wenn die Informationen auf der Internetseite zutreffen,“ klärt sie mich auf.
Ruckartig drehe ich mich in Richtung der Mattscheibe und stelle fest, dass ich den Vorspann bereits verpasst habe.
Meine Schwester sagt gerade in das Mikrofon der Reporterin: „Ich bin stolz bei dem Forschungsprojekt „Eiszeit“ meinen Teil zu einer besseren Umwelt beizutragen.“.
Würde mich über euer Feedback freuen.
mfg
Net-MMO
