Mondscheinsonate
Ein Bild nur ist es, was von dieser Welt geblieben ist, ehe Nacht die Farben tilgt und Schweigen über alle Häuser legt. Nur das Licht der Fenster bricht das Dunkel, wie ein Flüstern noch im Wind getragen, weit ,weit fort und in die Leere der Vergessenheit, versiegen Worte, schweigen Stimmen, Lieder klingen leise aus – und dunkle Wolken ziehen fort, wie schwere Träume, die gefangen sind, in ihrem Sein und vor dem Morgen schwinden. Sachte zieht der Wind durch all die stillen Gassen und lauscht an allen Türen, lauscht, ob er nicht finden kann, was diese Nacht erblühen lassen mag. Doch sind die Bilder grau geworden von der Zeit, die sie versiegelt dort im Geiste jedes Menschen ruhen. Sie sind nur Illusion, so sagen sie und denken doch ihr Leben lang zurück an frühe Tage, als sie jung und fröhlich waren, Kinder noch, die weder Furcht noch Traurigkeit in ihre Herzen ließen. Und durch die Finsternis der Nacht ertönt ein Lied. Lange, ach so lange schon, haben all die Menschen solches nicht gehört und werden es auch heute nicht, denn aus dem Traume eines Kindes klingt das Spiel und freudig pfeift der Wind dazu, fragt das Kind in seiner kleinen Welt, ob es ihn begleiten mag, um die Nacht mit seiner Kraft zum Leben zu erwecken. Und gemeinsam tragen sie das Lied hinaus auf weite Wiesen, wo die Wolkenwand sich lichtet und der Mond zum Vorschein kommt, wie um seine Gäste zu begrüßen. Voll und rund steht er am dunkelblauen Himmel, umrahmt von leuchtenden Wolken und funkelnden Sternen, gekrönt von seinem Schein, welcher silbern auf die Erde fällt und das feuchte Gras erstrahlen lässt, als sei daraus ein Teppich, gewoben aus Licht geworden. Perfekt für diese Nacht, für dieses Spiel, das nur ihm allein gebührt. Das Kind so jung und doch im Geiste reich, blickt auf und lächelt glücklich, dass es hier sein darf, in dieser ganz besonderen Nacht. Und auf dem glitzernden Teppich schimmert ein Klavier, leuchtend, wie Kristall, woran das Kinde tritt und staunend auf die bleichen Tasten blickt. Ein passender Hocker erscheint, worauf es sich setzen darf und seine Gedanken formen alte Lieder, wie der Mond sie einst vor langer Zeit gehört hatte, als die Welt noch jung und voller Träume war. Lieder, die vom Glück erzählen, von der Melodie des Lichtes und der Nacht, die einst nicht finster, sondern schön und voll von Leben war. Die kleinen Hände fliegen rasch über die Klaviatur, blind, doch wissend, und Töne schweben über den Wiesen in fremde Lande alter Zeit und erzählen von vergessenen Geschichten. Die Augen sind geschlossen und sehen doch die Bilder der Vergangenheit, die im Schein des Mondes liegen und vorüberziehen, gleich den Wolken, jedoch ohne je zu schwinden, zu verblassen und sich zu verlieren in der Ewigkeit. Und um das Kinde tanzt der Wind in stiller Freude, wirbelt Gras und Blätter auf, bittet sie zu nächtlich Tanz im Silberlicht, wie es einst die kleinen Geister taten, als sie noch im Walde lebten und mit ihren schimmernden Flügelchen dem Vollmond huldigten, ihm zu Ehren prächtig feierten und auf ihren kleinen Harfen und Flöten spielten. Doch verschwanden sie von dieser Welt, wie es einst die Träume werden, wenn die Nacht ein Ende findet. Und traurig legt der Wind sich nieder, wissend ob der kommend Tage. Doch diese Nacht soll Freude bringen und das Spiel des Kindes trägt die Welt zurück zu jenen Tagen, als die Wälder grün und unberührt von Trauer waren, und glockend Lachen füllt die Luft, als rings umher libellengleiche Flügel schlagen, als währe diese Nacht für immer. Fröhlich kitzeln sie den Wind, lassen sich von ihm emporheben, um die winzigen Hände nach dem Mond zu recken, ihren Zauber in sein Licht zu streuen, der wie Staub nun glitzernd auf die Erde fällt. Und zusammen mit dem Kinde spielen sie das letzte Lied, das endlich, nach so vielen Stunden nun die Nacht zum Blühen bringt. Denn auf dem silbern Teppich, heben Blumen sich, die nie von einem Mensch gesehen waren und nur in Vollmondnächten blühen, wenn der Zauber jener Melodie erklingt und sie aus ihrem tiefen Schlafe weckt. Doch selbst die Ewigkeit erreicht ihr Ende, wie die Nacht den nahen Morgen und lange, ehe sich die Dämmerung zu heben wagt, erklingt ein letztes Mal die Melodie, so wunderschön und traurig, wie das Märchen, das sie ist und bleiben wird im fahlen Schein des Mondes, der geduldig wartet, Tag um Tag in allen Zeiten, bis das Spiel dereinst erneut beginnen mag.
Ein Bild. Ein Bild nur ist es, was in dieser Nacht geblieben ist. Nicht grau und trist, sondern farbefroh und leuchtend hell, wie Mondlicht, das durchs Fenster scheint und auf ein lächelndes Gesicht im Traume fällt.
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