Sousou trat aus dem Schatten hervor, die Arme vor sich verschränkt. Er schien den Kindern nun wie ein 20jähriger junger Mann und trug nach wie vor Kleidung, die nicht in die gegenwärtliche Zeit passte, so als sei er nach dem Stil des 17. Jahrhunderts gekleidet. Zumindest hatte Katalina ähnlich aussehende Menschen schon in Geschichtsbüchern gesehen.
"Nun... es war eigentlich nicht geplant, dass ihr hier her gelangt, doch nun ist es eben so... eine überraschende Wendung, aus der sich keinerlei Vor- oder Nachteil entwickelt... weder für mich, noch für euch. Seht ihr die Bücher hier in diesem Raum?" Sousou deutete mit seiner linken Hand in großem Bogen die Wände des Raums entlang, wo die Kinder die beiden Bücherregale sehen konnten, die allesamt randvoll mit Büchern waren, teilweise wirkten diese sehr alt. "Nun... wie ihr schon geahnt habt geht hier... etwas... nicht mit rechten Dingen zu. Und zwar mit euch. Wir hatten hier schon einige Gruppen von Kindern wie euch, doch entweder haben sich die Kinder gegenseitig so misstraut, dass sie sich gegenseitig umgebracht, sich in hilflosen Situationen zurückgelassen haben oder an unseren Prüfungen gescheitert sind. Wisst ihr... bei jeder unserer... meiner... Prüfungen geht es um Leben und Tod." Sousou tippte einen alten Plattenspieler an, Jazzmusik begann zu spielen, während er weiter sprach. "Wisst ihr... auch eure Gruppe ist dazu bestimmt zu scheitern. Ihr traut euch nicht einmal untereinander, wie wollt ihr denn die weiteren Prüfungen bestehen? Gegen meinen Prototypen konntet ihr nur aus dem Grund gewinnen, weil ihr Glück hattet. Auf der anderen Seite habt ihr ein anderes Kind befreit, was wiederum unerwartet kam." Sousou lief während seiner Rede im Raum auf und ab, die Kinder standen starr wie Stein da. Katalina hielt sich den linken Arm, wo ihre knöcherne Hand sich befand. Sie überlegte, ob sie nicht auf ihn zu und mit ihrer knöchernen Hand berühren sollte. Was bei Metall passierte, könnte ja theoretisch auch bei lebenden geschehen, doch in ihr sträubte sich alles gegen dieses Vorhaben. Sie würde ein Leben auslöschen... nein, das konnte sie nicht. "Wisst ihr, das Lustige an eurer Situation ist, dass ihr alle das selbe denkt. Ja... ha, ha, ha... gerade jetzt denken zwei von euch, dass Katalina auf mich zu stürmen und mich mit ihrer Knochenhand berühren soll, weil ich dann tot und alles vorbei wäre, richtig? Tja... da staunt ihr, Dave und Jacob. Ihr beide fürchtet euch vor eurer Begleiterin und doch wollt ihr, dass sie für euch die Drecksarbeit erledigt, nicht? Und du, Katalina? Du sträubst dich dagegen, das zu tun, was jeder zu tun gedenkt, sich aber nicht traut und bist doch die Einzige, die nicht aus Furcht zögert. Das überrascht mich, wirklich. Und du, Tommy...? Du hast keine Ahnung von dem, wovon ich rede und bekommst jetzt so viel Angst, dass du dir fast in die Hosen machst, nicht wahr? Ihr wollt davon laufen und könnt es doch nicht." Den Kindern schien die Angst ins Gesicht geschrieben, auch wenn sie dies nicht so offen zeigen wollten. Sousou griff ein Glas vom Schreibtisch, der in der hinteren Mitte des Raumes stand und nippte daran. Auch wenn es sich wohl um etwas exklusives handeln würde, was er da trank, so zeigte Sousou keinerlei Mimik oder Gestik des Genusses dieses Getränks. "Nun... wollt ihr nicht auch etwas essen oder trinken? Ihr seid schließlich schon etwas länger hier unterwegs und habt sicher Hunger und Durst, nicht wahr? Wenn ihr wollt, könnt ihr in den Keller gehen und euch dort nach herzenslust verköstigen. Allerdings... bevor ihr das könnt, muss dort Katalina erst einmal auf ihren Spielgefährten treffen. Er ist mein Meisterwerk und... nunja... nicht einmal ansatzweise so wie der, mit dem ihr zuvor gespielt habt. Die zweite Möglichkeit wäre, dass ihr hier elendig verhungert und dem Wahnsinn anheim fallt, so wie die letzte Gruppe Kinder. Nun... im Grunde liegt es bei euch, wie ihr euch entscheidet. Aber ich gebe euch noch einen Tipp: Wenn euch Katalinas Spielgefährte zu stark und schwierig erscheint, dann opfert einen von euch Jungs... ha, ha, ha... dann wird es leichter... ha, ha, ha..." Sousou verschwand im Dunkel des Raumes, der Plattenspieler spielte ungehindert weiter die Jazzmusik, während die Kinder noch beieinander standen, von der Rede Sousous sichtlich überrascht und verwirrt. Das Knurren eines Kindermagens schien allen vieren klar zu machen, wo sie nun hin mussten... erst recht, als noch ein zweiter Kindermagen mit einstimmte und ebenfalls knurrte...
Katalina schritt auf den antiken Tisch zu, wo das Weinglas stand, aus dem Sousou getrunken hatte. Es war leer und trocken, als hätte sich nie eine Flüssigkeit darin befunden. Mehr noch... der Tisch war mit einer dicken Staubschicht bedeckt, als sei wohl seit Jahren nichts auf dem Tisch bewegt worden. Unter dieser Staubschicht, nahe dem Weinglas, fand Katalina einen Eisenschlüssel mit einem einfachem Etikett daran, auf dem "Keller" stand. Auch die Jungs waren zu ihr getreten und sahen auf den Schlüssel... der einerseits ihr Überleben sichern könnte... allerdings könnte auf der anderen Seite auch ihr Ende warten. Und was hatte Sousou nur damit gemeint, es wären schon andere Kinder hier gewesen?
"Wollen wir in den Keller gehen?" fragte Katalina. Man konnte ihr ansehen, dass sie sich alles andere als wohl bei der Frage fühlte... und die Antwort wohl schon zu kennen schien, wie drei Jungs auch...
_________________ Der einzige Held, der dich aus tiefster Finsternis erretten kann, wohnt in dir selbst.
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