Burkaverbote* sind, so verständlich sie auf der ersten Blick scheinen mögen, für mich komplett abzulehnen.
Erstens soll der Staat dafür sorgen, daß die Menschen miteinander ordentlich umgehen, aber er soll nicht das Leben von einzelnen bestimmen dürfen. Ich bin gegen einen Regulationismus, und für einen schlanken Staat, der mich in meinem Leben das machen läßt, was ich für sinnvoll erachte, solange ich dabei nicht andere beeinträchtige. Burkas beeinträchtigen keine anderen Leute - für gewisse Situationen gelten natürlich Ausnahmen, etwa Sicherheitskontrollen am Flughafen, wo man sich (wahrscheinlich?) erkennbar zeigen muß, etc. - aber ich lasse es nicht gelten, daß andere entscheiden wollen, daß man mit mir ja "als Mensch" zu kommunizieren hätte. Wenn ich keine Lust drauf habe, erkannt zu werden, muß ich das auch nicht. Schließlich, wenn ich als stinkender Penner, arroganter Schnösel, im Karnevalsaufzug, mit 50'000 Piercings, als Magersüchtige (ist das nicht auch frauenverachtend?) oder als Transvestit in den Bus einsteigen darf, wieso nicht als Burka-Trägerin? Wenn es so viele Arten gibt, sich selbst zu demütigen, und davon so viele akzeptiert sind, wieso dann gerade diese nicht?
Zweitens gilt das Argument nicht, daß Burkas nie freiwillig und immer aus Zwang getragen würden. Selbst wenn das stimmen sollte - was in der Absolutheit zu bezweifeln ist - ist das aus juristischer Perspektive fehlgeleitet, denn man verbietet etwas, meint damit aber eigentlich etwas anderes. Man will also die Diskriminierung von Frauen bekämpfen, geht aber gegen ein Kleidungsstück vor. Daß das zu juristischer Willkür Tür und Tor öffnet, sollte klar sein. Denn wer entscheidet im Zweifelsfall, ob es sich bei besagtem Kleidungsstück um eine verbotene Ganzkörperverschleierung handelt oder nur ein ausgefallenes LARP-Kostüm? (Ich erinnere hier an gewisse Bilder von Poly-Naruto) Der Staat darf nicht die Deutungshoheit darüber haben, was Kleidungsstücke für einzelne Personen bedeuten dürfen.
Drittens verläuft ein Verbot aus praktischer Perspektive genau in die falsche Richtung. Die betreffenden Frauen werden mit so einem Verbot künftig entweder einfach von ihrer Familie zuhause eingesperrt - oder sie schicken sie trotzdem vermummt auf die Straße. Kassiert sie dann eine Geldstrafe oder schlimmer, wird sie vermutlich dafür zuhause einige Schläge einstecken dürfen. Die Situation unterdrückter Frauen ändert man nicht, indem man ein Kleidungsstück verbietet.
Viertens kann man hier natürlich endlos darüber streiten, was "Zwang" in einem philosophischen Sinne bedeutet. Das ist aber bedeutungslos. Die Rechtsprechung kennt den Strafbestand der "Nötigung" bereits. Der ist einigermaßen wohldefiniert und kann angewendet werden, wenn ihn Anwälte und Richter für in einem gewissen Fall zutreffend halten. Nicht strafbar ist hingegen sowas wie "moralischer" oder "sozialer Druck". Das hat seinen Grund, denn es ist wieder ein schwammiger, willkürlich auslegbarer Begriff. Damit kann ich alles und nichts unter Strafe stellen. Moralischer Druck kann unmoralisch, verwerflich sein. Aber es ist nicht Aufgabe der Rechts - und dieses Bewußtsein kommt vielen leider abhanden - alle unmoralischen Handlungen zu verfolgen. Wer seine Freundin betrügt, ist vielleicht ein Arschloch, aber kein Straftäter, und das ist auch richtig so und macht den modernen Rechtsstaat als solchen aus. Ebenso ist der Druck, dem Frauen (und oft auch Männer) oft ausgesetzt sind (Schlankheitswahn, Mode, Verhaltensweisen, etc. - aber eben auch Verschleierungsgebot) bedenklich, kann aber schwerlich mit juristischen Mitteln bekämpft werden. Die wirklich schlimmen Fälle sind aber nicht die, wo auf eine Frau lediglich Druck ausgeübt wird, sondern die (bestimmt häufigen), wo sie schlicht dazu gezwungen wird. Das fällt aber eben gerade unter den Straftatbestand der Nötigung und ist damit verboten. Recht wird also bereits gebrochen. Ein neues Gesetz ist also genau die falsche Lösung. Eher muß man sich Gedanken machen, wie man die bestehenden besser umsetzen kann - wie man Frauen davor bewahren kann, genötigt oder geschlagen zu werden.
Man darf nicht glauben, daß man gesellschaftliche Probleme juristisch lösen kann. "Alles verbieten" war noch selten eine taugliche Problemlösungsstrategie. Aufklärung und Integration sind da auf alle Fälle bessere Alternativen.
* Ersetze für Burka jeweils: Burka, Niqab, ... etc.
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